Joel 1
Joel 1 Kingcomments Bibelstudien

Einleitung

Wer sich mit der Bibel ein wenig auskennt, weiß, dass Joel zu den Bibelschreibern und sodann zu den zwölf kleinen Propheten gehört, deren Bücher am Ende des Alten Testaments angereiht sind. Trotzdem ist es oft schwierig, sein Buch zu finden. Überhaupt scheint es mitunter einfacher zu sein, die elf Spieler des Lieblingsfußballvereins zu nennen, sogar mit deren Position, die sie in der Mannschaft einnehmen, als sich die Namen der zwölf kleinen Propheten in der richtigen Reihenfolge zu merken.

Allerdings haben wir in der Bibel auch nur neun Seiten über Joel. Von den insgesamt 1.308 Seiten, die meine Elberfelder Bibel zählt, ist das nicht viel. Kein Wunder also, dass man Joel leicht übersehen kann, wenn man die Bücher der Bibel nicht auswendig kennt.

Doch die Botschaft, die Joel weitergibt, verdient unsere Aufmerksamkeit voll und ganz – was allerdings für jedes Buch der Bibel gilt. Sein Buch enthält 73 Verse. Das ist nicht viel und erweckt den Eindruck, dass der Inhalt begrenzt sei. Aber wir werden sehen, wie reich der Inhalt dessen ist, was Joel im Namen des HERRN an sein Volk weitergibt. Wir werden auch sehen, wie er nach einer Beschreibung all des Elends, das er in seinen Tagen erlebt, einen wunderbaren Ausblick auf die herrliche Zukunft zeigt, die Israel erwartet.

Ger de Koning
Middelburg, Mai 2002 / überarbeitet Oktober 2020 / übersetzt Juni 2021

Wer war Joel?

Von Joel sind nur sein Name und der Name seines Vaters bekannt. Joel bedeutet „Jahwe ist Gott“. In der Elberfelder Übersetzung wird der Name Jahwe mit „HERR“ übersetzt, in Großbuchstaben geschrieben. Im Hebräischen, der Sprache, in der das Alte Testament ursprünglich zum größten Teil geschrieben wurde, heißt dieser Name Gottes JHWH.

Wenn seine Eltern ihm bewusst diesen Namen gegeben haben, können wir sicher sein, dass er in einer Familie aufgewachsen ist, die den HERRN fürchtete. Was der Name seines Vaters Pethuel bedeutet, ist hingegen nicht sicher. Einige sind der Ansicht, dass damit „junger Mann Gottes“ oder „der von Gott Überredete“ gemeint ist, andere meinen, der Name steht für „Offenheit Gottes“ oder „Einfalt Gottes“.

Über Joel wissen wir ferner, dass das Wort des HERRN zu ihm kommt mit der Absicht, dieses zum Volk zu sprechen. Das wiederum sagt etwas über seine Beziehung zu Gott und seine Beziehung zu dem Volk aus. Gott gibt seine Gedanken nicht einfach irgendeinem Mitglied seines Volkes bekannt. Gott sagt das, was Ihn beschäftigt, zu Menschen, die mit Ihm und für Ihn leben. Die Bedeutung des Namens Joel zeigt somit nicht nur den Glauben seiner Eltern, sondern auch, dass Joel selbst nach der Bedeutung seines Namens lebt. Er ist ein gottesfürchtiger Einzelgänger inmitten eines abtrünnigen Volkes.

Die Berufung Joels

Wir wissen nicht viel über die Berufung Joels. Ein Standardverfahren, das man zu Rate ziehen könnte, um zu sehen, wie man sich als Prophet verhält, gibt es auch nicht. Aber wenn wir uns auf die Bedeutung seines Namens verlassen und auf dieser Basis annehmen dürfen, dass er in Gemeinschaft mit Gott lebt, können wir davon ausgehen, dass der Geist Gottes irgendwann über Joel gekommen ist.

Der Grund für seinen Auftritt als Prophet ist in den Umständen der damaligen Zeit zu finden. Es herrscht große Not, als Joel geboren und vom HERRN gerufen wird. Plötzlich tritt er in die Öffentlichkeit, aber erst nachdem Gott ihn für seine Aufgabe vorbereitet hat. Er nimmt Anteil an der Trauer Gottes über sein Volk, weil es Ihm untreu geworden ist. Voller Mitgefühl verkündet er im Namen Gottes das Gericht, aber ohne sich darüber zu freuen, dass Gott sein untreues Volk richten wird.

Er wirft ihnen nicht vor: „Ihr seid selbst schuld!“ Vielmehr ruft er auf zur Umkehr zum HERRN. Das bevorstehende Gericht ist für ihn der Grund, dem Volk in diesem Augenblick das Wort Gottes zu bringen und auch als Fürsprecher zum HERRN zu rufen (Joel 1,19). Bei ihm ist eine brennende Liebe für den HERRN und auch für das Volk vorhanden, zu dem er gehört.

Joel und Elia

Bei Joel finden wir einige Dinge, die uns an Elia erinnern. Da ist zunächst einmal die Bedeutung seines Namens. Der Name Elia enthält die gleichen Gottesnamen wie Joel, denen das persönliche „mein“ hinzugefügt wurde. Nur die Reihenfolge ist anders. Elia bedeutet „mein Gott ist Jahwe“; bei Joel ist es umgekehrt: Jahwe ist Gott.

Zweitens sehen wir die Verbindung zwischen dem Namen und der Botschaft, die beide bringen. Der Name Joel, „Jahwe ist Gott“, passt zu der Botschaft, die der HERR ihm anvertraut. Joel soll durch seine Verkündigung das Volk zu der Erkenntnis bringen, dass es wirklich wahr ist, dass der HERR Gott ist. Auch Gott selbst weist darauf hin, dass sein Volk erkennen wird, dass „ich, der HERR, euer Gott bin“ (Joel 2,27; Joel 4,17). Elia hingegen bringt durch seinen Auftritt auf dem Karmel das Volk zu dem Bekenntnis: „Der HERR, er ist Gott! Der HERR, er ist Gott!“ (1Kön 18,39).

Eine dritte Ähnlichkeit zwischen den beiden Propheten ist der Grund für ihren Auftritt. Der Anlass von Joels Predigt ist eine Naturkatastrophe. Das ist auch bei Elias Auftritt auf dem Karmel der Fall, denn dort handelt es sich um eine Dürre. Das Zeugnis des Elia auf jenem Berg, ein Zeugnis für den Namen des HERRN, setzt der dreieinhalbjährigen Dürre ein Ende. Elia bat Gott um diese Dürre (Jak 5,17a), damit das Volk durch sie zu Gott zurückkehrt.

Neben den Ähnlichkeiten in der Bedeutung ihrer Namen, ihrer Botschaft und dem Grund ihres Auftretens gibt es noch eine vierte Gemeinsamkeit zwischen diesen Propheten. In beiden Fällen spielt „der Tag des HERRN“, der yom JHWH, eine Rolle. In Joel gibt es fünf Hinweise auf diesen Tag. In Maleachi wird Elia ebenfalls im Zusammenhang mit dem Tag des HERRN erwähnt (Mal 3,23). Was dieser Tag bedeutet, werden wir in der Fortsetzung unserer Studie über diesen Propheten sehen.

Der Anlass seiner Predigt

Wie schon gesagt, ist der Anlass von Joels Predigt eine Naturkatastrophe. Genau genommen sind es sogar zwei: Heuschrecken und Dürre. In diesen Katastrophen, die als Plagen erlebt werden, soll die Stimme Gottes gehört werden. Er spricht zu seinem Volk, um es zur Umkehr zu Ihm zu bewegen (2Chr 7,13-15; 1Kön 8,37-40). Der Zweck von Joels Auftritt ist somit, dass das Volk durch diese Katastrophen die Botschaft Gottes versteht und sich zu Ihm bekehrt.

Darüber hinaus bringt Joel die Naturkatastrophen seiner Zeit – die Heuschrecken und die Dürre – und den zukünftigen Tag des HERRN in einen Zusammenhang. Indem er darauf hinweist, dass die Katastrophen Vorboten des kommenden Tages des HERRN sind, ruft der Prophet Joel seine Zeitgenossen dazu auf, die „Zeichen der Zeit“ nicht nur zu sehen, sondern sie auch zu beherzigen. Als Prediger des Tages des HERRN ist Joel ein Prophet, der seine Zuhörer mit dem nahenden Gericht konfrontiert.

In einem allgemeinen Sinn gilt das auch für uns Christen. Auch wir müssen die Menschen damit konfrontieren: „Da wir nun den Schrecken des Herrn kennen, [so] überreden wir die Menschen“ (2Kor 5,11). Joel drängt also – und das müssen auch wir tun – auf eine einschneidende Entscheidung: die Umkehr zu Gott.

Umkehren, aber wovon?

Wir hören aus Joels Mund nicht, von welchen Sünden Israel umkehren sollte. Joel erwähnt nicht, dass sie Götzen dienen oder soziale Ungerechtigkeit begehen und dulden. Die einzige Sünde, von der er spricht, ist die des Betrunkenseins (Joel 1,5). Wenn wir aber den Aufruf in Joel 2 (Joel 2,12) einbeziehen, wird deutlich, dass das Volk zu seinem eigenen Vergnügen lebt. Juda ist ein Volk geworden, das für die Unterhaltung lebt.

Wohin der Missbrauch von Wein führt, hören wir auch aus dem Mund anderer Propheten. Hosea weist darauf hin, dass übermäßiger Gebrauch von Wein den Verstand (oder: das Herz) wegnimmt (Hos 4,11). Amos malt aus, wie der Gebrauch von Wein ein Ausdruck einer luxuriösen und dekadenten Lebensweise ist (Amos 6,6). Und bei Jesaja hören wir, wie er den Gebrauch von Wein als ein Mittel beschreibt, das blind macht für „das Tun des HERRN“ und für „das Werk seiner Hände“ (Jes 5,11; 12).

Joels Aufgabe ist es, das Volk wachzurütteln, damit sie sich wieder auf „das Tun des HERRN“ konzentrieren, das in den Katastrophen sichtbar ist. Ihr Herz ist nicht ganz dem HERRN zugewandt. Von einem Volk, das von Ihm aus der Macht des Feindes befreit wurde, könnte Er etwas anderes erwarten. Er hat sie erlöst, damit sie sein Volk sind, ein Volk, das Ihm mit allem dient, was in ihm ist, und mit allem, was es besitzt. Wenn das Volk nicht reagiert, wird Er nichts unversucht lassen, um es für sich zurückzugewinnen. Dabei hat Er auch ihr Glück und Wohlbefinden im Blick. Der Mensch, der nicht ganz für Ihn lebt, kann nicht glücklich sein.

Vergleich mit Hosea

Während sich Hosea an das Zehnstämmereich wendet (obwohl er manchmal auch Juda erwähnt), spricht Joel nur Juda und besonders die Juden in Jerusalem an (Joel 3,5; Joel 4,1; 17; 18; 20). Joel bezieht sich sodann auch auf ihre Bewohner (Joel 4,6; 8; 19), auf Zion (Joel 2,1; 15; Joel 4,17; 21) und ihre Kinder (Joel 2,23; Joel 4,6; 8; 20). Ebenfalls erwähnt er mehrmals den Tempel oder den Tempeldienst, mit dem er sehr vertraut ist (Joel 1,9; 13; 14; 16; Joel 2,14; 17; Joel 4,18).

Auch in der Art der Verkündigung unterscheiden sich die beiden Propheten. Hosea drückt sich in kurzen und kraftvollen Aussagen aus, mit plötzlichen Wendungen und vielen verschiedenen Aktionen. Joel ist gleichmäßiger in seiner Predigt; er hat ein abgerundetes Thema. Zudem zeigen die Sprache und der Stil Joels eine starke Fähigkeit, sich in den Zustand der Menschen einzufühlen, die unter den Plagen der Heuschrecken und der Dürre leiden. Sein Stil ist klar und fließend, sprachlich schön.

Die Prophezeiung

Joel kündigt das Gericht des „Tages des HERRN“ an. Er erwähnt diesen Tag fünfmal in seiner Prophezeiung; deshalb könnte man ihn auch „den Propheten des Tages des HERRN“ nennen. Ebenso kündigt er die endgültige Befreiung von Juda, Jerusalem und Israel an.

Wenn ein Prophet auftritt, kann man in der Regel voraussetzen, dass das Volk Gottes durch seine Untreue Ihm gegenüber in einen Zustand des Verfalls geraten ist. Prophetie ist dann das besondere Eingreifen Gottes. In der Prophetie zeigt Er, wie der Mensch konkret gesündigt hat und warum sein Gericht kommen muss. In der Prophetie gibt es allerdings auch das Zeugnis einer Wiederherstellung, die durch Gottes Gnade stattfinden und wodurch es Segen für sein Volk geben wird.

Joel bringt dem Volk Juda die Botschaft Gottes als scharfer Beobachter der Zeit, in der er lebt. Die Worte, in denen er dies tut, liefern viele prophetische Bausteine. Das bedeutet, dass in seiner kurzen Prophezeiung viel vorhanden ist, wodurch wir Einblick in die Ereignisse der Endzeit gewinnen können.

Thema seiner Predigt

Das Thema, um das sich seine Predigt dreht, ist die Invasion der Assyrer. Joel 1 beschreibt die Invasion der Heuschrecken und die Verwüstung, die darauf folgt. Diese Invasion und Zerstörung sind die Ankündigung der noch schrecklicheren Invasion der Assyrer und der Zerstörung, die sie verursachen werden. Dies wird in Joel 2 beschrieben (Joel 2,1-11). Die Hand des HERRN ist sowohl in der Heuschreckenplage als auch in der Invasion der Assyrer zu sehen.

Beide Einfälle und die anschließende Zerstörung werden von Joel mit dem kommenden Tag des HERRN als einem Tag, an dem das Gericht über sein abtrünniges Volk kommt, in Verbindung gebracht. Aber in der Fortsetzung von Joel 2 und 3 sehen wir, wie dieses Gericht auch über die Assyrer und alle Nationen kommt, die sich Israel gegenüber feindlich verhalten haben.

Historisch gesehen müssen wir den Einfall der Assyrer in die Zeit des Königs Hiskia einordnen (2. Könige 18 und 19). Prophetisch handelt es sich um den König des Nordens, der in der Zukunft meint, Israel vernichten zu können, der aber selbst durch den Herrn Jesus vernichtet werden wird (Dan 11,40-45).

Wann hat Joel geweissagt?

Joel ist einer der Propheten, über den die Meinungen bezüglich der Datierung weit auseinandergehen. Joel erwähnt keinen Namen oder ein anderes Ereignis, das stattgefunden hat, das einen Hinweis auf die Zeit geben könnte, in der er prophezeit.

Höchstwahrscheinlich prophezeite Joel in den Tagen von Ussija (792/791-740 v. Chr.). Er ist dann ein Zeitgenosse von Hosea und Amos, die beide in den Tagen Ussijas geweissagt haben (Hos 1,1; Amos 1,1). Auch hätte Joel nicht ohne Grund seinen Platz im Kanon des Alten Testaments zwischen Hosea und Amos bekommen.

Wenn Amos sich auf die gleiche Plage bezieht (Amos 4,9) wie Joel in seinem ersten Kapitel, wäre das ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass Joel und Amos Zeitgenossen waren. In der Zeit Ussijas erleben Israel und Juda eine Zeit großen Wohlstands. Eine Heuschreckenplage führt dazu, dass all dieser Wohlstand in kurzer Zeit zerstört wird.

Doch Gott hat es für besser befunden, die Zeit, in der er prophezeite, nicht bekannt zu geben. Das unterstreicht noch mehr die Zeitlosigkeit seiner Botschaft. Wir werden sehen, dass seine Prophezeiung denn auch für die Zeit, in der wir leben, sehr wichtig ist.

Zweck der Heuschreckenplage

Gott hatte Juda in den Tagen Ussijas reichlich gesegnet, das Volk aber hielt seinen Segen für selbstverständlich. So hat eine noch nie dagewesene Heuschreckenplage Juda heimgesucht und die gesamte Ernte vernichtet. Das hat die Wirtschaft des Landes komplett zum Erliegen gebracht. Aber nicht nur das: Das Schlimmste ist, dass es aufgrund dieses landwirtschaftlichen Verlustes nicht mehr möglich war, das Speisopfer und das Trankopfer in den Tempel zu bringen (Joel 1,13). In diesen katastrophalen Umständen erkannte Joel das Gericht Gottes über Juda.

Nachdem Damaskus von Assyrien zerstört wurde, kam Ussija an die Macht. Er baute eine mächtige Armee auf und förderte die Handelsbeziehungen. Im Norden war Jerobeam II. an der Macht. Er eroberte mehrere Gebiete, die zuvor in die Hände von Syrien gefallen waren. Diese Umstände waren der Grund dafür, dass nun ein goldenes Zeitalter für Juda und Israel anbrach, das nur mit der Zeit König Salomos verglichen werden kann.

Wirtschaftlich ging es gut, aber der Luxus und der Überfluss hatten Juda und Israel innerlich geschwächt. Von Dankbarkeit gegenüber dem HERRN war keine Rede mehr. Ihr Glaube war zu einer hohlen Form geworden, zum Ausführen von rein religiösen Handlungen. Ihr Leben war darauf ausgerichtet, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Geleitet von Gottes Geist, sagte Joel dem Volk, dass die Heuschreckenplage eine Warnung für ein größeres Gericht sei, das bevorstehe. Dieses könne nur vermieden werden, wenn sie Buße tun und zur vollen Gemeinschaft mit Gott zurückkehren.

Wie bei den meisten anderen Propheten können wir auch bei Joel davon ausgehen, dass er ein tatsächliches Ereignis als Anlass für seine Prophezeiung nahm. Er tat dies, um das Gewissen des Volkes zur Zeit des Ereignisses zu wecken. Er tat es noch mehr, um dieses Ereignis als Bild für noch dramatischere Ereignisse zu benutzen, die in den letzten Tagen stattfinden werden, genauer gesagt: beim Anbruch des Tages des HERRN. Der Geist Gottes warnte vor dem Gericht, das zu einer Zeit kommen wird, in der solche Katastrophen Land und Leute heimsuchen. Das Volk sollte dies beherzigen.

Gottes Stimme in Katastrophen

In Naturkatastrophen zeigt Gott seine Allmacht. Er hat „die Gewalt über diese Plagen“ (Off 16,9). Gott schickt nicht wahllos solche Katastrophen oder andere Unglücksfälle. Er hat immer ein bestimmtes Ziel vor Augen, nämlich dass der Mensch sich von seinem bösen und unheiligen Weg bekehrt (Off 16,8; 9).

Gottes Handeln kann von Menschen oft nicht überprüft werden. Es ist daher sicher nicht richtig, in dem Sinn zu urteilen, dass derjenige, der von einer Katastrophe betroffen ist, schlecht ist, und dass derjenige, an dem sie vorbeigeht, gut ist. Der Herr Jesus warnt vor einer solchen unchristlichen Sichtweise (Lk 13,1-5). Der Herr macht deutlich, dass die Ereignisse zu jener Zeit nicht Botschaften sind, die das Recht geben, über die Opfer zu urteilen, sondern dass diese Botschaften alle zur Umkehr aufrufen, die sie hören.

Für die Niederlande können wir die Feuerwerkskatastrophe am 13. Mai 2000 in Enschede und den Brand eines Cafés in Volendam während des Jahreswechsels 2000 auf 2001 als Beispiele nennen. Dem Ereignis vom 11. September 2001 und dem Namen World Trade Center ist nichts hinzuzufügen, ebenso wenig wie dem Tsunami vom 26. Dezember 2004. National und international sind alle, die es mitbekommen haben, von diesen Ereignissen schockiert. Ein weiteres Ereignis ist die Katastrophe, die sich bei der Verfassung dieses Kommentars ereignet hat: Flug MH17 am 17. Juli 2014. Und welche dramatischen Katastrophen werden sich nach der Veröffentlichung dieses Kommentars noch ereignen?

In Enschede wurde durch die Explosion einer Feuerwerksfabrik ein Wohnviertel vollständig ausgelöscht. Dutzende Menschen starben, andere erlitten bleibende körperliche und/oder geistige Schäden. In einem Café in Volendam verursachte in der Silvesternacht ein plötzliches Flammenmeer Tod und Zerstörung und irreparable physische und psychische Schäden bei den meist jungen Partygästen. In New York starben Tausende von Menschen. Mehr als 200.000 Menschen starben durch den Tsunami. 298 Menschen starben bei der Katastrophe von Flug MH17.

Die Vorstellung, dass all diese Menschen die Katastrophe, die sie getroffen hat, irgendwie „verdient“ haben, ist verwerflich. Gut aber ist, dass jeder, der davon hört, erkennt, wie relativ das Leben ist. Was du nicht für möglich gehalten hast, kann plötzlich in dein Leben treten. Die Folgen sind dramatisch. Die Frage, die sich jeder stellen sollte, ist: „Wenn mich eine Katastrophe trifft, wie stehe ich dann vor Gott?“ Gottesfürchtige Menschen leiden unter Katastrophen und Unfällen genauso wie die Gottlosen, und genauso profitieren die Gottlosen von Gottes Güte auf der Erde.

Einteilung des Buches

Nach diesen einleitenden Bemerkungen kommen wir zu einer Einteilung dieses Bibelbuches. Das Buch kann in sieben Teile gegliedert werden:
1. Heuschreckenplage, Dürre und Aufruf zur Buße (Joel 1,1-20)
2. Invasion der Assyrer (Joel 2,1-11)
3. Erneuter Aufruf zur Umkehr und Buße (Joel 2,12-17)
4. Die Antwort des HERRN auf die Buße (Joel 2,18-27)
5. Die Ausgießung des Geistes in der Endzeit (Joel 3,1-5)
6. Gericht über die Feinde Israels (Joel 4,1-16)
7. Segen für Israel (Joel 4,17-21)

Van Leeuwen gibt eine interessante Einteilung in seinem Kommentar De Prediking van het Oude Testament (Die Predigt des Alten Testaments). Diese stimmt fast vollständig mit der soeben gegebenen Einteilung überein. Das Interessante dabei ist die Struktur, die Van Leeuwen sieht, nämlich die sogenannte konzentrische Struktur so wie auch die Erklärung dafür.
A Das durch Heuschrecken und Dürre zerstörte Land (Joel 1,4-20)
--B Das anrückende Heer am Tag des HERRN (Joel 2,1-11)
----C Aufruf zur Umkehr (Joel 2,12-14)
------D Alle zusammengerufen zur Buße (Joel 2,15-17)
----C Erhörung durch den HERRN, Segen und Rettung (Joel 2,18-27; Joel 3,1-5)
--B Die vorrückenden Völker und der Tag des HERRN (Joel 4,1-17)
A Das Land fruchtbar und sicher (Joel 4,18-21)

Erläuterung: Hier sehen wir, dass der Aufruf zum gemeinsamen Fasten- und Gebetstag im Zentrum steht (D). Weiterhin sehen wir, dass die Buchstaben C, B und A unterhalb des Zentrums die Gegenstücke zu den Buchstaben oberhalb des Zentrums sind. Mit (D) tritt die Wende vom Gericht zur Rettung für Gottes Volk ein. Der Aufbau ist also: Zuerst gibt es Gericht für Gottes Volk durch Plagen und Feinde (A – C), aber durch Reue und Buße (D) gibt es Segen für Gottes Volk und Gericht über die Feinde (C – A).


Einleitung

Jerusalem und Juda werden aufgerufen, sich die Heuschreckenplage zu Herzen zu nehmen, die das Land heimgesucht hat (Joel 1,2-4).
1. Der Prophet ruft zuerst die Betrunkenen auf, dieses Unheil zu beklagen (Joel 1,5-7).
2. Dann ruft er alle zu einer Wehklage auf, die direkt von der Plage betroffen sind – die Bauern und Winzer (Joel 1,8-12).
3. Schließlich richtet er denselben Aufruf an die Priester, denen er ebenfalls befiehlt, das Volk aufzurufen, sich vor dem HERRN zu demütigen (Joel 1,13-18).
In den Joel 1,19; 20 geht der Prophet selbst mit gutem Beispiel voran und ruft zum HERRN.

Das Wort des HERRN an Joel

Das Buch Joel enthält kein Wort von Menschen, sondern „das Wort des HERRN“. So beginnen auch die Bücher Hosea, Jona, Micha und Zephanja. Das Buch sollte als eine göttliche Offenbarung gelesen werden. Es ist das Wort, das von Gott kommt, Er hat es gesprochen und auf seinen Befehl hin muss es weitergegeben werden.

Das Wort, das von Gott kommt, ist mehr als nur, dass Gott spricht. Das Reden Gottes ist auch mehr als nur das Aussprechen von Worten. Das Reden Gottes ist ein Akt, eine Aktion, die etwas bewirkt. Im Reden Gottes ist Kraft, sein Wort tut, was Ihm gefällt, und es kehrt nie leer zurück (vgl. Jes 55,10; 11). Joel ist einer der Männer, auf die sich Petrus bezieht, wenn er schreibt: „Denn [die] Weissagung wurde niemals durch [den] Willen [des] Menschen hervorgebracht, sondern heilige Menschen Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist“ (2Pet 1,21).

Wie bei Obadja, Nahum, Habakuk und Maleachi gibt es auch hier keinen Hinweis auf die Zeit oder den Herkunftsort des Propheten. Siehe auch die Einleitung unter „Wer war Joel?“ und „Wann hat Joel geweissagt?“

Zurück in die Vergangenheit

Mit den Aufrufen „hört dieses“ und „nehmt es zu Ohren“ macht Joel auf seine Botschaft aufmerksam. Die „Alten“ sind die Hauptverantwortlichen. Sie sind die Führer des Volkes, Männer, die durch eine lange Lebenserfahrung weise geworden sind. Ihre Erinnerungen liegen auch am weitesten zurück. Sie müssen verstehen, dass die Katastrophe, die über sie hereingebrochen ist, kein Zufall ist. Sie dürfen auch keine wissenschaftlichen Erklärungen dafür geben, als ob eine Kombination von physikalischen Faktoren dazu geführt hat, dass sich die große Zahl von Heuschrecken genau in diesem Moment in Juda niedergelassen hat. Gerade diese alten, weisen Männer müssen erkennen, dass diese Katastrophe eine Warnung Gottes ist.

Aber auch dem gemeinen Volk wird gesagt, dass sie in dem, was geschehen ist, das Handeln Gottes anerkennen müssen. Wenn sie in der Erinnerung und noch weiter in der Geschichte zurückgehen, werden sie zugeben müssen, dass so etwas noch nie zuvor in ihrem Land geschehen ist. Die Plage, die sie jetzt heimsucht, ist größer als jede frühere Plage, die sie heimgesucht hat. Warum? Weil sie noch größere Sünder sind als ihre Väter.

Jede Naturkatastrophe oder andere Art von Unglück, zum Beispiel Krankheit oder Krieg, ist ein Ereignis, durch das Gott zum Gewissen der Menschen sprechen will. Wenn die Menschen seinem Wort nicht gehorchen, wird Er durch mächtigere Mittel sprechen. Der bekannte Schriftsteller C.S. Lewis bemerkte irgendwo: „Gott flüstert durch sein Wort, Er brüllt durch die Katastrophe.“ Nach einem Vortrag mit dem Titel „Gott ist da und Er spricht“, kam eine Frau zu mir und sagte: „Ich bin dankbar, dass Gott gegen mich gebrüllt hat, weil ich nicht auf sein Wort gehört habe.“

Auch heute noch spricht Gott durch Ereignisse zu einem Volk und zu dem Einzelnen. Ziel ist es, auf Ihn zu hören. So war es auch bei dem Mann, der seinem kleinen Sohn, der an Gott glaubte, sagte, Gott solle ihm doch einfach auf die Schulter klopfen, wenn Er existiere. Einige Zeit später hatte er einen Unfall mit seinem Auto. Wie durch ein Wunder blieb er verschont. Nur seine Schulter war beschädigt. Sein Sohn sagte daraufhin: „Papa, war das nicht das Klopfen Gottes auf deine Schulter?“ Der Mann sah, dass Gott zu ihm gesprochen hatte. Er bekehrte sich zu Gott und kam zum Glauben an den Herrn Jesus.

Die Lektion für die Zukunft

Wir müssen nicht nur in der Vergangenheit graben, wir müssen auch an die Zukunft denken. Die zukünftigen Generationen dürfen nicht vergessen, was Gott ihnen angetan hat. Die Väter müssen ihren Kindern erzählen, welches Gericht sie getroffen hat, wie Gott sie bestrafen musste. Sie dürfen das nicht verschweigen, sie müssen ehrlich darüber reden. Ihre Kinder müssen es wieder weitergeben. Auf dieselbe Weise werden die Wunder, die Gott bei der Befreiung seines Volkes aus Ägypten getan hat, an die nächsten Generationen weitergegeben (Ri 6,13a).

Dieses Weitererzählen von Gottes Züchtigung sollte als Warnung dienen und nicht als nette Geschichte zur Unterhaltung der Zuhörer. Wir sind Meister im Erzählen von Geschichten aus der Vergangenheit, ohne darauf einzugehen, was wir aus ihnen lernen sollten. Gott will aber nicht, dass man so mit seiner Unterweisung umgeht, die Er uns durch sein Handeln an seinem abweichenden Volk zeigt. Er möchte, dass sein Handeln weitergegeben wird, damit die Kinder nicht in das gleiche Übel fallen und dass sie lernen, den HERRN zu fürchten.

Davon erzählen ist mehr als nur es zu erzählen. Es erzählen kann bedeuten, dass nur die bloße Tatsache, das Ereignis selbst, weitergegeben wird. Aber Gott will, dass mehr weitergegeben wird. Er will auch, dass die Ursache der Plage und ihre Folgen erwähnt werden und dass die nächste Generation die richtigen Lehren daraus zieht. Es geht nicht nur darum, zu erzählen, was passiert ist, sondern darauf hinzuweisen, wie Gott gehandelt hat.

Die Weitergabe der geschichtlichen Lehren geht bis in die vierte Generation. Damit unterstreicht Joel, dass das Geschehene an künftige Generationen weitergegeben werden soll (vgl. Spr 4,1-4). In diesem Zusammenhang lohnt es sich, einen Blick auf Psalm 78 zu werfen. Dieser Psalm ist ein Lehrgedicht von Asaph, in dem er, wie Joel, dem Volk die Lektion der Geschichte beibringt. Auch Asaph beginnt mit der Aufforderung zu hören, und dann mahnt er, das Gehörte an die nächste Generation weiterzugeben:

„Ein Maskil von Asaph.
Horche, mein Volk, auf mein Gesetz! Neigt euer Ohr zu den Worten meines Mundes!
Ich will meinen Mund auftun zu einem Spruch, will Rätsel hervorströmen lassen aus der Vorzeit.
Was wir gehört und erfahren und unsere Väter uns erzählt haben,
wollen wir ihren Söhnen nicht verhehlen, sondern dem künftigen Geschlecht den Ruhm des HERRN und seine Stärke und seine Wunderwerke, die er getan hat, erzählen“ (Ps 78,1-4).

In seinem Lehrgedicht erinnert Asaph auch an die Heuschrecken in Ägypten und was sie dort angerichtet haben: „Und er gab dem Vertilger [eine Heuschreckenart] ihren Ertrag, und ihre Arbeit der Heuschrecke“ (Ps 78,46). Es ist von großer Bedeutung, unseren Kindern und Enkeln Begebenheiten aus einer kürzeren oder längeren Vergangenheit zu erzählen, die das Wirken Gottes in unserem Leben oder in dem anderer Menschen zeigen. Damit geben wir unseren Kindern ein gutes Werkzeug in die Hand, damit sie den Willen Gottes besser kennen lernen.

Es ist zu befürchten, dass nicht wenige Eltern ihren Kindern kaum etwas darüber erzählen können, was der Herr in ihrem Leben getan hat, weil sie kaum mit Ihm leben. Beschäftigt, beschäftigt, beschäftigt mit allen möglichen Dingen, aber keine Zeit, mit den Kindern über die Führung Gottes in ihrem Leben zu sprechen.

Es gibt auch wenig Wissen darüber, was Gott im Leben anderer hingegebener Christen getan hat. Es ist schwierig für uns, unsere Kinder zu ermutigen, ein gutes Buch über Erfahrungen zu lesen, die Männer und Frauen mit dem Herrn gemacht haben, wenn wir selbst nicht daran interessiert sind. Mose fordert Israel kurz vor dem Einzug des Volkes in das verheißene Land auf, mit ihren Kindern über die Taten und Worte des HERRN zu sprechen (5Mo 4,9; 5Mo 6,6; 7; 20-25).

Die Heuschrecken

Der Ausgangspunkt für Joels Prophezeiung ist eine Heuschreckenplage, die in letzter Zeit das Land geplagt hat. Dass diese Plage eine Strafe Gottes ist, wird denen klar sein, die ein Ohr haben, um zu hören. Das war auch der Fall, als der HERR diese Plage in Ägypten über die Unterdrücker seines Volkes schickte (2Mo 10,12-15; Ps 78,46; Ps 105,34). Genau wie die Plage in Ägypten ist auch die Plage in den Tagen Joels beispiellos.

Wenn sowohl Ägypten als auch Israel von einer beispiellosen Heuschreckenplage heimgesucht werden, kann das nur bedeuten, dass Israel Ägypten geistlich gleich geworden ist (vgl. Off 11,8). Gott warnt sein Volk auch mehrmals, dass sie mit den Plagen und Krankheiten Ägyptens bestraft werden, wenn sie ungehorsam sind (5Mo 28,38; 42; 60). Sowohl für Ägypten als auch für Israel ist diese Plage eine Züchtigung Gottes, die zur Buße und zum Gebet anregen soll (vgl. Amos 4,9; 1Kön 8,37-40).

Eine einzelne Heuschrecke ist unbedeutend, sie macht überhaupt keinen Eindruck, kann einfach so zertreten werden. So fühlen sich die Israeliten in ihrem Unglauben den Riesen in Kanaan gegenüber (4Mo 13,33). Aber in großer Zahl sind sie überwältigend und vernichtend (Ri 6,5; Ri 7,12). Je schwächer das Werkzeug ist, desto deutlicher wird durch dessen Einsatz und dadurch, was es tut, dass Gott hinter ihm steht und dass Er es einsetzt.

Die vier Namen, mit denen Joel die Heuschrecken erwähnt, scheinen darauf hinzuweisen, dass es sich um verschiedene Arten von Heuschrecken handelt, jede mit ihrem eigenen Namen, die nacheinander das Land geplagt haben:
1. Der Name der ersten (Nager) lautet auf Hebräisch gazam, das ist eine junge, flügellose Heuschrecke.
2. Die zweite Heuschrecke heißt arbèh, das ist die voll entwickelte, geflügelte Heuschrecke (dies ist auch der Name der Heuschrecke, die Gott einst als Plage über Ägypten einsetzte).
3. Die Dritte (Abfresser oder Springer) heißt yélek und ist eine andere Art von Heuschrecken.
4. Die Vierte (Vertilger oder Ausrotter) heißt chasil und ist eine weitere Art.
Die Bibel erwähnt neun Arten von Heuschrecken, von denen die vier, die Joel erwähnt, die gefährlichsten und schädlichsten sind.

Da ein Heuschreckenschwarm alles frisst und nichts übriglässt, bezieht sich „übriggelassen“ auf etwas, was wieder gesprossen ist, nachdem alles kahlgefressen worden war. Das passt auch zu der Vorstellung, dass das Land nacheinander von vier Heuschreckenarten besucht wurde.

Die Zahl Vier findet sich in zwei anderen Bibelstellen, die von Strafen Gottes über das Volk sprechen (Jer 15,3; Hes 14,21). Vier ist die Zahl der Erde. Die Erde hat vier Windrichtungen (vgl. Dan 7,2; Off 7,1; Off 20,8). Es gibt auch vier Jahreszeiten, die das Leben auf der Erde bestimmen. Die Zahl Vier steht für etwas Allumfassendes. Die Erwähnung von den Namen von vier Heuschrecken deutet darauf hin, dass es sich um ein Gericht handelt, das sich über ganz Juda, in alle Richtungen, ausgebreitet hat.

Für ein von der Ernte abhängiges Volk ist eine Plage wie die der Heuschrecken eine lebensbedrohliche Katastrophe. Die immer wieder abgehaltenen Erntefeste weisen auf die Wichtigkeit der Ernte hin. Plötzlich gibt es keine Ernte mehr einzusammeln. Alles verschwindet auf einen Schlag. Es gibt keine Versicherung, die den Schaden deckt. Alle Lebensgrundlagen sind verschwunden. Das Land steht am Rande des Abgrunds. Deshalb muss die Botschaft von Joel gehört werden. Oder ist das Volk so weit von Gott entfernt, dass es nicht mehr zu erreichen ist?

Unter dem Volk Gottes in unserer Zeit sind „Heuschrecken“ systematisch damit beschäftigt, dem Volk Gottes die Nahrung zu rauben. In Gottes Wort werden die Heuschrecken mit dämonischen Mächten in Verbindung gebracht (Off 9,3). Diese Kräfte dringen zunehmend in die Christenheit ein. Sie manipulieren Christen, die sich nicht unter die Autorität des Wortes Gottes stellen, sondern glauben, dass sie Gott auf ihre eigene Weise dienen können.

Es gibt Menschen, die vorgeben, Leiter des Volkes Gottes zu sein, zugleich aber dem Volk sagen, dass man die Bibel nicht ernst nehmen soll. Oder sie sagen, dass die Bibel nur wahr ist, wenn man erlebt, was sie sagt – so als ob die Wahrheit Gottes von den Gefühlen eines Menschen abhängt und nicht nur von der Tatsache, dass Gott gesprochen hat und dass die Bibel schon allein deshalb wahr ist, egal wie sehr das manchmal bestimmten menschlichen Gefühlen widerspricht. In dieser Situation werden Propheten gebraucht, um uns daran zu erinnern, was wir verloren haben, und um uns auf den reichen Inhalt und den Nährwert des Wortes Gottes hinzuweisen.

Die Betrunkenen

Nachdem er die Alten und alle anderen Bewohner des Landes aufgefordert hat, ihm zuzuhören, spricht Joel nun besonders zu den Betrunkenen. Betrunkene sind Menschen, die Gottes Segnungen missbrauchen. Dass Er sie zum Aufwachen auffordern muss, obwohl sie nichts mehr zu trinken haben, zeigt, wie blind und unempfindlich sie für die Äußerungen des Zornes Gottes sind. Sie schlafen noch ihren Rausch aus, während Gott so ernst spricht. Die Betrunkenen sind offenbar in großer Zahl anwesend, weil sie als Gruppe angesprochen werden können. Viele Einwohner von Judäa leben noch in einem sorglosen Taumel weiter.

Hier wird die sorglose Freude besonders angeprangert. Diejenigen, die nicht durch Gottes Stimme in seinem Wort geweckt werden, werden dies durch seine Züchtigung. Diejenigen, die nicht durch Gerichte in der Ferne zum Stillstand kommen, werden diese Gerichte am eigenen Leib erfahren. Es ist gerecht, dass Gott ihnen den Luxus und den Überfluss nimmt. Je mehr ein Mensch sein Glück davon abhängig macht, was ihn befriedigt und was seinen Gefühlen Befriedigung verschafft, desto härter erlebt er das Gericht, wenn es ihn in diesen Dingen trifft. Plötzlich werden sie entdecken, dass all diese Segnungen keine wirkliche Befriedigung gegeben haben, weil sie abseits von Gott genossen wurden, um ihre eigenen Begierden zu befriedigen. Sie werden weinen und wehklagen. Fünfmal wird in diesem Kapitel von Wehklagen oder Ähnlichem gesprochen (Joel 1,5; 8; 9; 10; 11).

Die einzigen Menschen, für die dieses Gericht keine Strafe ist, sind die Nasiräer. Denn sie trinken keinen Wein; sie haben freiwillig darauf verzichtet (4Mo 6,1-4). Der Nasir ist ein schönes Bild für jemanden, der sich ganz freiwillig dem Herrn opfert, um allein für Ihn zu leben. Dabei verzichtet er auf Dinge, die an sich nicht falsch sind – es war für einen Israeliten nicht falsch, Wein zu trinken –, die aber die Gefahr in sich tragen, dass die volle Hingabe an Christus behindert wird.

Auf irdische Segnungen zu verzichten bedeutet, dass diesen Dingen ein untergeordneter Platz eingeräumt wird. Es bedeutet: Verzicht auf das Recht, dein Geld und Gut sowie deine Zeit und Kapazitäten nach deinen eigenen Vorstellungen auszugeben. Man übergibt alles an Christus, damit Er die Autorität darüber hat. Christen, die freiwillig auf den Genuss irdischer Segnungen verzichten, werden nicht trauern, wenn sie diese Segnungen plötzlich verlieren.

Trunkenheit ist die einzige Sünde, die in diesem Buch im Zusammenhang mit Israel erwähnt wird. Daher scheint es, dass diese Sünde im Besonderen den Zustand des Volkes charakterisiert. Trunkenheit bedeutet, dass wir Gott die Dinge, die Er dem Menschen in seiner Schöpfung zum Genuss gegeben hat, im Überfluss und getrennt von Ihm nehmen. Jeder Mensch, der behauptet, mit Gott in Verbindung zu stehen, aber in Wirklichkeit getrennt von Ihm lebt, ist nicht in der Lage, ein nüchternes und überlegtes Urteil über die Dinge des Lebens zu fällen. Er ist vernebelt in seinem Denken.

Von Gott getrennt zu leben bedeutet, dass wir Gott nicht in die Dinge des Lebens einbeziehen. Wir planen, ohne Ihn zu fragen, was Er davon hält. Planen ist nicht falsch, aber es ist falsch, Pläne zu machen, ohne Ihn zu konsultieren und erst hinterher seine Entscheidung zu akzeptieren. Wenn das Volk Gottes einmal so lebt, muss Gott zu drastischen Methoden greifen, um es aus seinem „Rausch“ zu wecken. Er will an allem beteiligt sein, was sein Volk tut. Er kann nicht zulassen, dass sein Volk an Ihm vorbeigeht, Ihn nicht befragt.

Heraufziehen der Heuschrecken

Zu den vier kleinsten Tieren auf der Erde, die aber überaus weise sind (Spr 30,24), gehört auch die Heuschrecke: „Die Heuschrecken haben keinen König, und doch ziehen sie allesamt aus in geordneten Scharen“ (Spr 30,27). Die Heuschrecken sind „eine Nation“, die zwar keinen König hat, aber dennoch mit Weisheit auszieht. Diese Weisheit kommt von Gott; Er regiert dieses Volk. Heuschrecken sind mächtig, weil sie zahllos sind. Außerdem bilden sie eine Einheit; es gibt keine Bresche, die in ihre Reihen geschlagen werden kann. Sie bilden weiterhin eine geschlossene Front.

Hierin liegt eine schöne Anwendung für die Gemeinde jetzt. Wenn wir die verheerende Wirkung beiseitelassen, wie es der oben zitierte Vers aus Sprüche 30 tut, sehen wir in diesen Tieren ein wunderbares Merkmal dafür, wie Gott die Gemeinde funktionieren lassen will. Auch sie hat keine sichtbare Leitung, sondern ist in allem auf die unsichtbare, aber nicht weniger reale Leitung des Heiligen Geistes angewiesen. Wenn sich jedes Glied der Gemeinde unter die Führung des Geistes stellt, sowohl im täglichen Leben als auch in den Versammlungen, wird sich dies in einem einheitlichen Handeln der Gläubigen ausdrücken. Dem Feind wird es nicht gelingen, Spaltung zu verursachen.

Es zeugt von Weisheit, wenn sich die Kinder Gottes dieser unsichtbaren Führung unterwerfen. Der Geist Gottes macht durch das Wort Gottes deutlich, wie Er jedes einzelne Glied und alle Glieder zusammen führen will. Wenn jedes Glied Gottes Wort liest, wird auch deutlich, was seine Funktion im Ganzen ist und wie diese Funktion ausgeübt werden kann, um dem Ganzen zu dienen.

Die Heuschrecken, von denen Joel spricht, werden als „eine Nation“ bezeichnet. Damit wird deutlich, dass in diesen Heuschrecken ein Beispiel für eine Nation auf dem Kriegspfad gesehen werden kann. Die mächtigen Waffen, über die sie verfügen, sind ihre Zähne, die mit den Zähnen eines Löwen und dem Gebiss einer Löwin verglichen werden (vgl. Off 9,8). Der König der Tiere packt seine Beute und zerreißt sie mit seinen Zähnen, ohne sie loszulassen. Das gleiche zerstörerische Werk tun Heuschrecken mit ihren Zähnen. Sie fressen alles, ohne etwas übrig zu lassen. Wenn diese winzige Geschöpfe schon ein solches Übel anrichten können, wie viel mehr wird es von dem feindlichen Volk getan werden, dessen Handlungen im nächsten Kapitel ausführlich beschrieben werden (Joel 2,1-11).

Diese zerstörerische Kraft wird auf das losgelassen, was Gott „mein Land“ nennt. Deshalb betrifft die Züchtigung, die Gott über sein Land bringen muss, auch Ihn selbst. Wir sehen das in Joel 1,9, wo es heißt, dass Ihm keine Opfer mehr gebracht werden. Das macht deutlich, dass Gott kein Gericht von seiner hohen und erhabenen Position aus sendet, ohne selbst daran beteiligt zu sein (Klgl 3,33).

Das Land wird Israel anvertraut, um es für Ihn zu bewirtschaften und Ihm die Früchte davon zu geben. Es ist ihnen erlaubt, alles Gute davon zu genießen. Wenn sie aber das Land für ihr Eigentum halten und es plündern, muss Gott sie durch Züchtigung daran erinnern, was Er gesagt hat: „Denn mein ist das Land; denn Fremde und Beisassen seid ihr bei mir“ (3Mo 25,23b).

Mein Weinstock, mein Feigenbaum

Nachdem Gott im vorherigen Vers vom Land als „mein Land“ gesprochen hat, nennt Er Israel hier „meinen Weinstock“ und „meinen Feigenbaum“. Weinstock und Feigenbaum sind Symbole für Wohlstand, Frieden und Ruhe (1Kön 5,5; Mich 4,4). Weinstock und Feigenbaum werden oft zusammen erwähnt (Ps 105,33; Jes 36,16; Jer 5,17; Hos 2,14). Das Holz des Weinstocks ist wertlos (Hes 15,1-5). Der Bauer mit dem Weinstock und dem Feigenbaum interessiert sich nicht für das Holz dieser Bäume, sondern für ihre Frucht. Diese Frucht hat sein Volk nicht dem HERRN geschenkt, sondern für sich selbst genutzt.

Was also ein Geschenk Gottes an sein Volk ist, wird ihnen nun weggenommen. Und zwar radikal. Die Heuschrecken fressen nicht nur alles Grün, die Bäume werden sogar ihrer Rinde beraubt. Deshalb tragen Weinstöcke und Feigenbäume keine Früchte mehr. Im übertragenen Sinn gilt das auch für Israel. Das Volk hat schon lange keine Frucht mehr für Gott gebracht. Alles ist entblößt und tot. Erst wenn die Gemeinde entrückt ist und Gott den Faden mit Israel wieder aufnimmt, wird neues Leben kommen, wie Paulus sagt: „Was wird die Annahme anderes [sein] als Leben aus den Toten?“ (Röm 11,15).

Trauer um den Verlust eines Geliebten

Das Volk wird aufgefordert, zu wehklagen. Ihre Trauer muss durch das Tragen eines Sacktuches gezeigt werden. Das Elend, das über Juda gekommen ist und das zu Traurigkeit führen muss, wird mit der Trauer verglichen, die durch das Zerbrechen einer Liebesbeziehung verursacht wird. Die Ursache der Trauer stellt der Prophet im Bild einer wehklagenden Braut dar, deren Geliebter kurz vor der Hochzeit aus dem Leben gerissen wurde. Hier wird sowohl das Unerwartete als auch das intensiv Schmerzhafte gezeichnet.

Das Schicksal von Juda und Jerusalem wird mit dem Schicksal einer Braut verglichen, die auf die Gemeinschaft mit ihrem Mann verzichten muss. Auch Juda und Jerusalem haben aufgrund der Notsituation keine Gemeinschaft mehr mit dem HERRN, wie sie zuvor im Opferdienst erlebt wurde. Die Mittel des Opferdienstes werden dem Volk als Beweis ihrer Treue zum HERRN gegeben. Da ihre ganze Hoffnung mit irdischen Segnungen verbunden ist, kann deren Verlust nur große Trauer zur Folge haben.

In einem allgemeinen Sinn können wir damit die Lektion verbinden, dass jeder, der nur für die Speise arbeitet, die vergeht (Joh 6,27), in seiner Arbeit betrogen wird. Aller irdische Wohlstand kann plötzlich verschwinden. In diesem Fall ist zu hoffen, wie hier bei Israel, dass diese schmerzliche Angelegenheit eine gottgemäße Trauer nach sich zieht und nicht nur eine Trauer über den verlorenen Segen (2Kor 7,10).

Kein Speisopfer und kein Trankopfer

Die erste Folge der Zerstörung der Ernte ist, dass kein Speis- und Trankopfer mehr in den Tempel gebracht werden kann. Es scheint, dass die Bewohner von Judäa bis zum Eintreffen der Katastrophe Opfer gebracht haben, denn die Entfernung der Opfer wird den Heuschrecken zugeschrieben. Das könnte bedeuten, dass die Menschen bis dahin ihre religiösen Pflichten erfüllt haben, die vorgeschriebenen Opfergaben zu bringen. Aber während sie ihre Pflichten gegenüber Gott erfüllen, füllen sie auch das Maß ihrer Schuld auf und Gottes Gericht kommt darüber. Ein Mensch kann die äußeren Handlungen, die Teil seiner Religion sind, mit großer Sorgfalt ausführen, ohne dass sein Herz daran beteiligt ist.

Der Verlust von den Opfern ist eine große Katastrophe. Das Speisopfer und das Trankopfer werden erwähnt, weil sie pflanzlich sind und daher direkt von der Heuschreckenplage betroffen sind. Eine Beschreibung des Speisopfers kann in 3. Mose 2 nachgelesen werden. Wie alle Opfer ist auch das Speisopfer ein Bild des Herrn Jesus. Tieropfer sind ein Bild des Werkes, das der Herr Jesus am Kreuz getan hat. Das Speisopfer ist kein blutiges Opfer. Es spricht daher von Ihm als Mensch auf der Erde, der sich in seinem Leben vor seinem Werk am Kreuz ganz Gott hingegeben hat. Das Trankopfer ist ein Weinopfer, das über ein anderes Opfer, das Hauptopfer, ausgegossen wird (4Mo 28,7; 14; vgl. Phil 2,17). Es spricht von der Freude – wofür der Wein ein Bild ist –, mit der sich der Herr Jesus Gott geopfert hat.

Die geistliche Bedeutung ist für uns wichtig. Das Verschwinden der erwähnten Opfer bedeutet, dass unter dem Volk Gottes eine Situation entstehen könnte, in der sie nicht mehr erkennen, wer der Herr Jesus für Gott ist. Es gibt kein Bewusstsein mehr für die völlige Hingabe des Herrn Jesus an Gott, wie sie im Speisopfer dargestellt wird. Es wird auch nicht mehr daran gedacht, dass es seine Freude war, den Willen seines Vaters zu tun, wie es das Trankopfer zeigt.

Es bedeutet, dass wir aufhören, Gott zu sagen – und das ist es, was opfern für uns bedeutet – wie wunderbar der Herr Jesus Ihm gedient hat und dass Er das immer mit Freude getan hat. Es gibt keine Gemeinschaft mehr mit Gott. Gott, bei dem sich alles um seinen Sohn dreht (wer Er ist, was Er getan hat und wie Er es getan hat), wird beraubt. Was für ein großer Verlust für Gott. Wer Gott beraubt, beraubt sich selbst. Wer den Herrn Jesus nicht als das wahre Speis- und Trankopfer kennt, der weiß nicht, dass sein eigenes Leben ein Opfer sein kann. Jemand, der nur für sich selbst und sein eigenes Vergnügen lebt, weiß nichts von der Hingabe an Gott und der Freude, die sie bringt.

Priester, die beobachten, dass das Volk Gottes für sich selbst lebt, können darüber nur weinen. Priester sind Menschen, die es gewohnt sind, in der Gegenwart Gottes zu sein. Sie wissen, was sich gehört, sie kennen Gottes Heiligkeit, seine Liebe und sein Verlangen. Sie haben auch Anteil an seiner Trauer und an dem Schmerz, den die Untreue seines Volkes verursacht.

In Israel sind nur die Nachkommen von Aaron Priester. In der Gemeinde sind alle Gläubigen Priester (1Pet 2,5). Doch es gibt einen Unterschied zwischen dem Priestersein und dem Verhalten als Priester oder dem Dienen als Priester. Nur Gläubige, die wirklich in der Gemeinschaft mit Gott leben, dienen als Priester und haben Mitgefühl mit Gott. Sie wissen, was Ihm geraubt wird, wenn sein Volk nur für sich selbst lebt. In Zusammenkünften, in denen geistliche Opfer gebracht werden, das heißt, in denen Gott geehrt wird, werden sie die Art und den Inhalt dieser Opfer bemerken. Sie werden bemerken, ob Opfer gebracht werden, die Gott ehren, oder ob es Opfer sind, in denen nur der eigene Vorteil zum Ausdruck gebracht wird.

Alles ist großes Elend

„Das Feld“ ist die Fläche, auf der die Ernte steht. Es zeigt die Ernte, das Ergebnis all der Mühe, die ihr vorausging. Aber es gibt keine Ernte, weil auf dem Feld kein Getreide steht. „Der Erdboden“ stellt eher die Fläche dar, von der man nach dem Pflügen und Säen eine Ernte erwarten kann. Aber die ganze Bearbeitung des Bodens ist vergeblich gewesen. Der Erdboden gibt den Anschein einer Trauernden. Die Worte „vertrocknet“ und „verwelkt“ deuten darauf hin, dass es nicht nur eine Heuschreckenplage, sondern auch eine Dürre gibt (Joel 1,17).

„Korn“, „Most“ und „Öl“ sind die drei wichtigsten Segnungen des Landes, die im Alten Testament oft zusammen erwähnt werden (4Mo 18,12; 5Mo 7,13; Hos 2,10). Wenn diese weggenommen werden, ist das die Folge einer göttlichen Strafe (5Mo 28,51; Hag 1,11). Sie werden wieder vorhanden sein, wenn das Volk Buße getan hat (Joel 2,19; Ps 65,10). Die drei Produkte – Korn, Most und Öl – stehen nacheinander für Stärkung, Freude und Ausstrahlung (Ps 104,14; 15).

Arm und Reich begegnen sich

Die hier angesprochenen Gruppen sind diejenigen, die in ihrer Existenzsicherung am unmittelbarsten betroffen sind. Weizen und Gerste sind die Hauptkörner, aus denen Brot gebacken wird. Wir können an zwei Arten von Menschen denken: reiche und arme. Gerstenbrot ist das Brot für die Armen, während Menschen, die besser gestellt sind, Weizenbrot kaufen können. Gerste wird als Futter für Pferde verwendet (1Kön 5,8) und als Nahrung für Menschen, wenn Weizen nicht verfügbar oder nicht bezahlbar ist.

Aus 2. Könige 7 geht hervor, dass Gerste die Hälfte des Weizens kostet (2Kön 7,1; 16). Der jüdische Historiker Flavius Josephus erwähnt in seinem Buch Der Fall Jerusalems dasselbe in seiner Beschreibung einer der Belagerungen Jerusalems: „Viele Reiche gaben ihr ganzes Vermögen für ein Maß Weizen, die Ärmeren für ein Maß Gerste, worauf sie sich in eine verborgene Ecke ihres Hauses einschlossen und das Korn kneteten oder es ungemahlen aßen.

In Offenbarung 6 ist der Preis für Gerste ein Drittel des Preises, der für Weizen zu zahlen ist (Off 6,6). Wenn aber beides nicht mehr vorhanden ist, spielt es keine Rolle, ob man reich oder arm ist. Reich und Arm treffen sich im Elend des Hungers (Spr 22,2). Wenn beide zu der Erkenntnis kommen, dass sie schuld sind an der Züchtigung, die Gott bringen musste, weil sie Ihn nicht als ihren Schöpfer anerkannt haben, hat Er mit dieser Züchtigung sein Ziel erreicht.

Alle Bäume sind verdorrt

Es sind nicht nur die Bauern und Weinberge, die leiden. Das ganze Volk, alle Menschenkinder sind von der Katastrophe betroffen. Die fünf Baumarten, zusammen mit dem Weizen und der Gerste aus Joel 1,11, sind insgesamt sieben. Dies weist auf das gesamte Ausmaß der Verwüstung hin. Bei der Palme handelt es sich um die Dattelpalme. Die Aussage, dass „alle Bäume“ verdorrt sind, nachdem bereits eine Reihe von Bäumen genannt wurde, vervollständigt das Bild der Verwüstung.

Bäume sind von Gott bei der Schöpfung als Segen für den Menschen gegeben worden. Der Mensch durfte von allen Bäumen frei essen, außer vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen (1Mo 2,16; 17). Für den Juden, für den diese Gewächse zum Segen des Landes gehören (5Mo 8,6-10), ist es eine Katastrophe und auch ein Gericht, sie wegzunehmen.

Neben ihrem wirtschaftlichen Wert sind die erwähnten Bäume auch Symbole für geistliche Nahrung und Erfrischung sowie für Freude und Frucht im Leben des treuen Gläubigen (Ps 92,13; Hld 2,3). Die volle Freude, die ihr Leben als Volk Gottes hätte prägen können, ist verflogen. Nichts ist davon übriggeblieben.

Aufruf an die Priester

In Joel 1,9 wird von den Priestern gesagt, dass sie trauern. Dort stehen sie in Verbindung mit dem HERRN und mit dem Haus des HERRN. HERR oder Jahwe ist der Name Gottes, der anzeigt, dass Er eine besondere Beziehung zu seinem auserwählten Volk Israel hat. Jahwe ist der Name des Gottes, der den Bund mit Israel geschlossen hat. Aber das Volk hat den Bund mit Ihm gebrochen. Wenn Gott nun die Priester aufruft, zu wehklagen und zu heulen, die Nacht in Sacktuch zu verbringen, dann tut Er das als derjenige, vor dem der Mensch Rechenschaft über seine Untreue ablegen muss.

Gott ist der dreimal heilige Gott, der sich nicht spotten lässt. Deshalb wird hier über „Diener meines Gottes“ und „das Haus eures Gottes“ gesprochen. Die Priester sollen als erste erkennen können, wie groß die Schmach ist, die man Gott angetan hat. Schließlich darf von ihnen erwartet werden, dass sie wissen, was Gott zusteht und dass es eine große Schande ist, dass Gott nicht erhält, was Ihm zusteht. Als „Diener des Altars“ sind sie nun arbeitslos. Es gibt nichts, was sie zum Altar bringen können. Das Speisopfer und das Trankopfer stammen aus der Ernte des Weizens und der Weintrauben, und diese Ernten sind zerstört.

Joel nennt die Priester „Diener meines Gottes“. Er stellt sich selbst als Prophet seines Gottes dar, in dessen Namen er sagen darf, dass Gott hören wird, wenn sie zu Ihm kommen. Offenbar will er damit sagen, dass es nicht mehr die Priester sind, die als Vermittler im Namen des Volkes vor Gott stehen, sondern dass der Prophet nun als Einzelner der Vermittler ist, durch den Gott zu den Menschen spricht.

Er spricht zu ihnen von „eurem Gott“, wenn er von dem Haus Gottes spricht. Das ist das Bekenntnis, das sie in Bezug auf den Tempel haben. Er schließt sich dem an, wenn er in Joel 1,16 von „dem Haus unseres Gottes“ spricht. Er ruft sie, zu deren Pflichten es gehört, im Tempel zu singen, nun zur Wehklage auf. Die Nacht in Sacktuch zu verbringen, geschieht als Zeichen großer Trauer, aber auch als ein intensiver und lang anhaltender Akt der Demütigung vor dem HERRN (1Kön 21,27; 2Sam 12,13-23).

Ein Fasten heiligen

Nach dem Aufruf zur Trauer und zur Wehklage als Folge der Heuschreckenplage wird gesagt, auf welchem Weg dies geschehen soll. Dieser Weg heißt Demütigung und Umkehr zu Gott. Der Aufruf wird im folgenden Kapitel weiter ausgearbeitet (Joel 2,15-17). Fasten ist nötig (vgl. Jona 3,7). Es scheint leicht zu sein, in einer Zeit der Hungersnot zu fasten, aber gerade dann ist es sehr schwierig. Der Hunger ist nagend. Es gibt kaum Nahrung und was es gibt, darf nicht angerührt werden, um sich Gott zuzuwenden. Aber mit diesem Fasten schließt man sich Gott an, der in dieser Zeit auch keine Nahrung erhält.

Fasten wird normalerweise von einem Schuldbekenntnis begleitet. Letzteres wird hier nicht erwähnt. Fasten wird als Ausdruck der Demütigung verwendet, um von Gott eine Versöhnung der Schuld zu erlangen oder um Unheil abzuwehren. Es dient dazu, die Kraft des Gebets oder der Fürbitte zu unterstreichen.

Wenn wir in unserem Leben besonderen Prüfungen und Ereignissen begegnen, die uns bestürzen, sollten wir uns aus dem normalen Lebensablauf zurückziehen, damit wir unser Herz ganz vor dem Herrn aufdecken können, um zu sehen, was Er uns mit diesen Ereignissen zu sagen hat. In solchen Situationen denkt man nicht mehr ans Essen. Man richtet seine ganze Aufmerksamkeit auf den Herrn und das Erfahren seines Willens in den von Ihm gesandten Umständen.

Wie in Joel 1,2 werden auch hier die Ältesten und alle Bewohner erwähnt. Alle sind aufgerufen und beteiligt. Alle müssen in den Tempel kommen, um den HERRN anzurufen. Sie müssen um Befreiung aus der Not schreien. Der Ruf zu Gott muss ein nationaler Ruf sein, weil es eine nationale Katastrophe ist. In Nehemia 9 finden wir ebenfalls ein solches nationales Fasten (Neh 9,1-3). Auch hier handelt es sich um eine Angelegenheit für das ganze Volk. Wenn sie das tun, wird der HERR dann nicht hören und Wiederherstellung geben? Er erhört und beantwortet jeden aufrichtigen Ruf. Nur müssen wir es Ihm überlassen, wie und wann Er antwortet.

Der Tag des HERRN

Der Tag des HERRN ist ein Thema, das sich durch die gesamte Prophezeiung von Joel zieht. Es ist daher gut, diesem Tag etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist ein besonderer Tag. Der Tag des HERRN ist kein Tag von vierundzwanzig Stunden, sondern umfasst die Zeitspanne von dem Moment an, in dem der HERR aufsteht und in das Weltgeschehen eingreift, bis zu seinem Friedensreich. Der Anbruch dieses Tages ist der Wendepunkt in der Weltgeschichte, an dem der Mensch nicht mehr offen regiert, sondern an dem Er die Regierung übernimmt. Jetzt scheint es noch so, dass der Mensch auf der Erde alles zu sagen hat, aber wenn der Tag des HERRN kommt, wird Er die Weltherrschaft übernehmen.

Er wird dies auf eine Weise tun, die für alle sichtbar ist. Der HERR erscheint, Er offenbart sich. Das Buch der Offenbarung beschreibt alles, was damit verbunden ist. Zuerst wird Er seine Gerichte über die Erde kommen lassen und so die Erde von Ungerechtigkeit reinigen (Offenbarung 6–19). Die letzten Gerichte wird Er selbst vollziehen, wenn Er vom Himmel kommt (Off 19,11-21). Dann wird Er sein Friedensreich errichten und tausend Jahre lang in einer Weise regieren, die den Menschen, ja der ganzen Schöpfung zum Segen gereichen wird (Off 20,1-6).

Der Tag des HERRN beginnt mit seinen Gerichten und endet mit dem Reich des Friedens. Danach beginnt die Ewigkeit (Off 20,7-15; Off 21,1-8), die auch „der Tag Gottes“ genannt wird (2Pet 3,12), denn dann wird „Gott alles in allem“ sein (1Kor 15,28). Beim Tag des HERRN ist der Hauptgedanke, dass der Herr Jesus nicht mehr verborgen bleiben wird, sondern dass Er deutlich und für jeden wahrnehmbar handeln wird. „Tag“ bezieht sich auf Licht, was bedeutet, dass es nicht mehr darum geht, im Verborgenen zu richten oder in der Vorsehung zu handeln, wie es in der Zeit, in der wir leben, geschieht.

Der Ausdruck „der Tag des HERRN“ ist im Alten Testament häufig (Jes 2,12; Jes 13,6; 9; Jer 46,10; Hes 13,5; Hes 30,3; Joel 1,15; Joel 2,1; 11; Joel 3,4; Joel 4,14; Amos 5,18; 20; Obad 1,15; Zeph 1,7; 14; Mal 3,23). Im Alten Testament ist der Tag des HERRN immer mit der besonderen Stellung Israels auf der Erde verbunden, wegen der besonderen Verbindung mit Gott, der sich nur diesem Volk als der HERR offenbart hat. Die erste Erwähnung und Beschreibung dieses Tages (Jes 2,12-22) gibt ein klares Bild davon, was dieser Tag bedeutet.

Es ist der Tag, an dem nur der HERR erhöht werden wird (Jes 2,17). Dann ist Schluss mit der Situation, wie sie war, seit Eva auf den Versucher hörte und es zum Sündenfall kam. Seitdem hat der Mensch begonnen, seinen eigenen Willen zu tun, und wollte sich immer über Gott und seinen Nächsten erheben. All dieser Stolz wird gerichtet werden.

Der Tag des HERRN bezeichnet das Gericht, mit dem Er entscheidend in die Geschichte eingreifen wird. Gott wird dies durch Christus an einem Tag tun, den Er bestimmt hat (Apg 17,31). Dies ist der Tag, an dem es dem Menschen nicht mehr erlaubt sein wird, Gottes Vorhaben zu behindern, zu durchkreuzen oder zu vereiteln, und an dem Gott nicht mehr im Verborgenen wirken wird. Dann wird Er das Böse niederschlagen und dann das Gute verbreiten und erhalten.

Dieser „Tag“ bezieht sich auf die göttlichen Gerichte, die von Christus als Jahwe, dem Gott Israels, vollzogen werden, wenn Er in Herrlichkeit erscheint, aber auch auf die gesamte tausendjährige Zeit. Der Tag des HERRN bedeutet das Gericht für Babylon (Jes 13,9), für Ägypten (Jer 46,10), für Israel und Assyrien (Joel 1,15; Joel 2,1; 11; Joel 3,4; Joel 4,14), für Israel (Amos 5,18; 20; Zeph 1,7) und für Edom (Obad 1,15). Wo Sünde und Ungerechtigkeit sind, wird es Gericht geben, ob es sich um heidnische Nationen oder Gottes eigenes Volk handelt.

Aus Amos 5 könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Israeliten den Tag des HERRN als Rettung (Licht) für sie und Gericht für die Feinde erwarten (Amos 5,18-20). Aber Amos und andere Propheten haben dieser Erwartung widersprochen. Israel, das dem HERRN untreu ist, wird auch den Tag des Gerichts selbst als „Finsternis“, als Tag des Zorns des HERRN erleben (Klgl 1,12).

Auch im Neuen Testament wird der Tag des Herrn – derselbe wie im Alten Testament – erwähnt (Apg 2,20; 1Kor 1,8; 1Kor 5,6; 2Kor 1,14; 1Thes 5,2; 2Thes 2,2; 2Pet 3,10). Es muss klar zwischen dem Tag des Herrn und der Entrückung der Gemeinde unterschieden werden. Beide Ereignisse finden nicht zur gleichen Zeit statt. Das Kommen des Herrn besteht aus verschiedenen Phasen.

Der Herr Jesus kommt zuerst, um die Gemeinde zu entrücken (1Kor 15,51; 52; 1Thes 4,15-18). Wenn Er für seine Gemeinde kommt, wird Er nicht auf die Erde kommen, noch wird Er für die Menschen auf der Erde sichtbar sein. Die Gemeinde begegnet Ihm in der Luft (1Thes 4,17). Auch alle alttestamentlichen Gläubigen, die gestorben sind, werden dann auferweckt werden und Ihm begegnen. Diese Wahrheit ist nur im Neuen Testament zu finden und ist ein Trost für die Gläubigen.

Der Tag des Herrn ist anders. In dieser Phase seines Kommens erscheint Er auf der Erde, für alle sichtbar (Off 1,7), um sein Volk, das heißt den treuen Überrest Israels aus seiner Not zu erlösen. Und Er wird die Ungläubigen richten und sein Friedensreich errichten. Das Buch der Offenbarung gibt uns detaillierte Informationen über alle Ereignisse, die mit dem Kommen des Herrn auf die Erde verbunden sind. Alle Texte über den Tag des Herrn zeigen, dass die Menschen, die dann auf der Erde leben, in großer Furcht sein werden wegen der Gerichte.

Wenn wir den Unterschied zwischen der Entrückung der Gemeinde, der Begegnung mit dem Herrn in der Luft und dem Kommen des Herrn auf die Erde sehen, haben wir den Schlüssel zum Verständnis des ersten Teils von 2 Thessalonicher 2 (2Thes 2,1-12).

Es gibt noch andere „Tage“. So lesen wir über den „Tag Gottes“ (2Pet 3,12). Dieser Tag beschreibt den ewigen Zustand. Dieser Tag ist nicht zu verwechseln mit dem „großen Tag Gottes, des Allmächtigen“ (Off 16,14), der dem „Tag des HERRN“ entspricht. Verwandte Ausdrücke sind: der Tag des Zorns des HERRN (Zeph 1,18), ein Tag der Rache (Jes 34,8), der Tag des Schlachtopfers des HERRN (Zeph 1,8), ein Tag des Grimmes, des Gewölks und des Wolkendunkels (Zeph 1,15). „Tag“ ist hier keine Zeitangabe, sondern steht für den Charakter von gewaltigen Ereignissen und deren Wirkung. Die ganze Betonung liegt auf dem Geschehen, dem strafenden Eingreifen des HERRN, wobei der Aspekt der „Öffentlichkeit“ besonders wichtig ist. Alle Ereignisse finden unter seiner Kontrolle und in seinem Licht statt.

Der Tag des Herrn steht im Gegensatz zum Tag bzw. dem Gericht des Menschen (1Kor 4,3). Jetzt hat der Mensch noch das Sagen; wenn aber der Tag des Herrn kommt, beginnt die Zeit, in der der Wille Gottes „wie im Himmel, so auch auf der Erde“ getan wird (Mt 6,9; 10).

Aus geistlicher Sicht beginnt der Tag des Herrn im Leben eines jeden Menschen, wenn er die volle Autorität des Herrn über sein Leben anerkennt. Dies geschieht, wenn er sein Leben in Gottes Licht sieht und beginnt, darüber wie Gott zu denken. Das ist der Moment der Bekehrung. Wenn die Bekehrung stattgefunden hat, kann von den Gläubigen von diesem Moment an gesagt werden, dass sie „Söhne des Lichts und Söhne des Tages“ sind (1Thes 5,5; 8; 9; vgl. Röm 13,13).

Keine Freude und kein Frohlocken

Es war Gottes Absicht, dass sich sein Volk in seiner Gegenwart freuen sollte. Das hat Er z. B. beim Darbringen der Erstlingsfrüchte gesagt (5Mo 26,10; 11). Doch statt Freude und Frohlocken droht nun das Unheil, das mit dem Kommen des Tages des HERRN ausbrechen wird. Immerhin haben sie den Vorboten gesehen und die Folgen erlebt.

Hier erklärt der Prophet, warum er befürchtet, dass der Tag des HERRN kommen wird. Die Katastrophen, die diesen Tag begleiten, sind gegenwärtig: Die Ernte und alles Grün sind vernichtet. Sie sind Zeugen davon, sie sehen es vor ihren Augen, sie schauen es mit Entsetzen und Ohnmacht an. Wenn es keine Ernte und damit keine Nahrung mehr gibt, sind auch die Freude und das Frohlocken aus dem Haus des HERRN verschwunden. Denn es kann keine Erstlingsfrüchte der Ernte geben, keine Friedensopfer, und bald, weil das Vieh verdurstet, gibt es auch keine Brandopfer und Sündopfer mehr.

Überall Verwüstung

Der Prophet sieht, wie die Schöpfung seufzt (Röm 8,22). Die Folgen des untreuen und gottlosen Handelns eines Menschengeschlechts, das sich von Gott abgewandt hat, sind in der Schöpfung sichtbar. Ein Mensch geht nie allein auf einem Weg, der von Gott wegführt. Auch das, was ihm anvertraut wurde, trägt er immer mit sich in Leid und Gericht. Das Seufzen der Schöpfung ist im Stöhnen des Viehs zu hören, wie wir in Joel 1,10 sozusagen das Trauern des Erdbodens gesehen haben.

Was in diesen Versen gesagt wird, ist die Folge der Dürre und nicht der Heuschreckenplage. Die Ernte ist durch die Heuschrecken vernichtet worden, aber die Dürre bedeutet, dass auch keine neue Ernte zu erwarten ist. Die Situation ist hoffnungslos. Es ist, als ob der Prophet nach Worten sucht, die diese Hoffnungslosigkeit in vollem Umfang zeigen: „vermodert“, „verödet“, „zerfallen“, „verdorrt“, „stöhnt“, „bestürzt“, „keine Weide“, „büßen“. Für Joel spiegelt die Dürre des Landes vor allem die Unfruchtbarkeit und den Verfall wider, die in den Herzen des Volkes vorhanden sind (vgl. Jer 14,1-6).

Der Ruf zu Gott

Joel benutzt die Worte „Feuer“ und „Flamme“, um die sengende Hitze und die Dürre zu benennen. Sie werden durch die Sonne und den Ostwind verursacht und haben eine verheerende Wirkung. Die „Weideplätze“ sind die wichtigen Fundorte von Nahrung für die Tiere. Das hebräische Wort midbar bedeutet, dass es sich um eine Wüste handelt, die für die Kleinviehhaltung geeignet ist wie z. B. die Wüste von Judäa. „Alle Bäume des Feldes“ liefern Früchte, die die Menschen nutzen können.

Nach der Beschreibung der allumfassenden Zerstörung und seinem Aufruf, zu Gott zu gehen, wendet sich Joel selbst an den Einzigen, der helfen kann. In den wenigen Worten „zu dir, HERR, rufe ich“ liegt ein Meer von Elend, das der Prophet vor Ihm ausschüttet. Es scheint, dass sein Aufruf in den Joel 1,13; 14 keine große Resonanz gefunden hat. Wir hören hier nur seine Stimme. Der Prophet Amos nimmt die gleiche Position ein (vgl. Amos 7,1-6). Für Gott ist es ausreichend, wenn es nur einen Gerechten gibt.

Joel ist hier ein Bild für den Herrn Jesus, der als Fürsprecher und Vermittler für das Volk zu Gott geht. Joel repräsentiert nicht nur das ganze Volk, sondern ist auch das Vorbild, das zur Nachahmung aufruft. Er ruft nicht zu etwas auf, was er nicht selbst tut. Unabhängig davon, ob es den Dienern Gottes gelingt, andere von Gottes Urteil zu überzeugen und sie zu einer angemessenen Handlung und Haltung zu bringen, ist es klar, dass ein Aufruf an andere zumindest diese Wirkung in ihrem eigenen Leben haben muss. Wenn sie andere nicht davon überzeugen können, zu Gott zu rufen, müssen sie es selbst tun, in dem Bewusstsein, dass es wirklich notwendig ist.

Es ist bemerkenswert, dass das einzige Mal, wenn der Prophet etwas von sich selbst erzählt, es über sein Rufen zu Gott ist. Er zeigt uns etwas von seinem Innenleben und von seinem Vertrauen auf Gott. Darin ist er uns ein großes Vorbild, das es wert ist, von jedem befolgt zu werden, der unter der Trockenheit leidet, die unter dem Volk Gottes herrscht. Es ist zu hoffen, dass sich noch mehr solche Fürsprecher für das Volk Gottes finden lassen!

Die Tiere schreien zu dem HERRN

Nachdem der Prophet gerufen hat, folgt nun das Schreien der Tiere. Der Prophet sieht, wie die Tiere nach Gott lechzen. Die Tiere leiden auch wegen der Untreue des Menschen. Gott hört ihr Schreien (Hiob 38,41; Ps 104,21; 27). Mit ihrem Lechzen nach Ihm sind die Tiere ein Beispiel für die Menschen.

Die Fürsorge Gottes erstreckt sich auch auf die Tiere. Wenn der Fluch der Schöpfung im Friedensreich aufgehoben ist, haben auch die Tiere Anteil an seinem Segen: „Menschen und Vieh rettest du, HERR“ (Ps 36,7c). Nach Jonas Predigt müssen die Tiere an der vom König von Ninive verkündeten Demütigung teilhaben; auch sie dürfen nichts essen oder trinken (Jona 3,7). Gott bezieht auch die Tiere mit ein, als Er Ninive nach der Demütigung verschont: „Und ich sollte mich über Ninive, die große Stadt, nicht erbarmen, in der mehr als 120.000 Menschen sind, die nicht zu unterscheiden wissen zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken, und eine Menge Vieh?“ (Jona 4,11).

© 2023 Autor G. de Koning

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