Joel 3
Joel 3 Kingcomments Bibelstudien

Deutsches Vers (4,1)

Einleitung

Dieses Kapitel gibt ein vollständiges Bild von den Ereignissen der letzten Tage. Zuerst wird der HERR sein Volk von seinen Feinden befreien. Auf eine Weise, wie nur Gott es tun kann, wird Er die Feinde zusammenbringen und sie gemeinsam vor seinem Richterstuhl erscheinen lassen. Er wird dafür sorgen, dass jedes Verbrechen, das die Feinde Israels gegen sein Volk begangen haben, seine gerechte Strafe erhält (Joel 4,1-16).

Während die Feinde gerichtet werden, wird der HERR ein Schutz für sein Volk sein. Sie werden sicher bei Ihm wohnen (Joel 4,16b-17). Nach der Bestrafung der Nationen wird eine Zeit des überreichen Segens für Israel kommen (Joel 4,18-20). Das Zentrum, von dem aller Segen ausgeht, ist der HERR, der in Zion wohnen wird (Joel 4,21). Damit ist auch sichergestellt, dass der Segen andauern wird.


Deutsches Vers (4,1)

Die Gefangenschaft gewendet

Im Laufe der Jahrhunderte wurden Juda und Jerusalem zertrampelt, verschleudert und ausgerottet. Immer wieder haben andere Völker von ihnen Besitz ergriffen. Am 14. Mai 1948 ist der Staat Israel entstanden, aber der Druck der Nationen ist groß und damit auch die Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten. Israel ist noch kein Volk, das vom HERRN etwas erwartet. Es verlässt sich immer noch auf seine eigene Stärke und auf die Stärke seiner Verbündeten.

Dieses Handeln nach ihrer eigenen Einsicht und der erhöhte Druck werden sie dazu bringen, den Antichristen anzunehmen, der in seinem eigenen Namen kommt und sich als Messias präsentiert (Joh 5,43b). Auf ihn werden sie ihre Hoffnung setzen. Von ihm wird die Erlösung erwartet. Doch sie wird vergeblich sein. Die Nationen werden nach Jerusalem ziehen und die Stadt belagern. Die Situation wird völlig hoffnungslos sein, besonders für die Gläubigen. Die Gläubigen werden in dieser „Zeit der Drangsal für Jakob“ (Jer 30,7) von Feinden von außen und auch von ihren abtrünnigen Zeitgenossen, die dem Antichristen folgen, bedroht werden.

Aber dann wird der Herr Jesus vom Himmel kommen, um sie zu befreien. Mit seinem Erscheinen ist der endgültige Wendepunkt in der Geschichte Judas und Jerusalems gekommen. Die Wende im Schicksal Judas und Jerusalems wird dann kommen, wenn die Not am größten ist. Danach beginnt sofort die Zeit des Friedens und des Segens. Die folgenden Verse zeigen, was der HERR tun wird, damit diese Zeit anbricht.

Die Gefangenschaft von Juda und Jerusalem und die Zerstreuung der zehn Stämme dauern noch an. Die Gefangenschaft Judas und Jerusalems ist so zu verstehen, dass sie zwar einen eigenen Staat haben, aber nicht wirklich frei sind. Sie sind mit Händen und Füßen von der Unterstützung der Vereinigten Staaten abhängig, und auch die guten Beziehungen zur Europäischen Union sind wichtig. Obwohl das Israel der zehn Stämme hier nicht erwähnt wird, werden auch die zehn Stämme an den Ergebnissen des Handelns des Herrn Jesus teilhaben. Auch sie werden in das Land zurückgebracht werden.

Deutsches Vers (4,2)

Gott richtet die Nationen

In Joel 2 bittet Israel den HERRN, sein Volk zu verschonen, damit die Nationen nicht spotten und sagen werden: „Wo ist ihr Gott?“ (Joel 2,17). Dort werden die Worte „dein Volk“ und „dein Erbteil“ verwendet. Hier übernimmt der HERR diese Worte gleichsam und spricht von „mein Volk“ und „mein Erbteil“. Was die Nationen dem Volk und dem Erbteil Gottes angetan haben, ist hier die Anklage gegen sie.

Die Zerstreuung des Volkes Gottes und die Teilung des Landes Gottes sind ein Eingriff in Gottes Eigentum. Die Nationen, die sich seines Volkes und seines Erbteils bemächtigt haben, werden vom HERRN versammelt. Er wird ihnen zeigen, dass Er all das Unrecht nicht vergessen hat, das seinem Volk und seinem Erbteil angetan wurde. Den Nationen wird vergolten werden, was sie dem Volk Gottes angetan haben. Das sehen wir auch in Matthäus 25, wo das Kriterium für das Gericht auch die Haltung gegenüber den Brüdern des Herrn ist (Mt 25,40; 45).

Das Gerichtsverfahren findet in der Talebene Josaphat statt. Wie Gott die Nationen dort richten wird, wird in den Joel 4,9-12 beschrieben. Josaphat bedeutet „Jahwe richtet“ oder „das Zepter Jahwes“ oder „Jahwe spricht Recht“ oder „Jahwe ist Richter“. In dieser so benannten Talebene führt Er mit den Nationen einen Rechtsstreit für sein Volk, das von ihnen zerstreut wurde, und um sein Land, das sie geteilt haben.

Wo die Talebene von Josaphat liegt, ist nicht bekannt. Es ist unwahrscheinlich, dass es sich um das Tal von Beraka handelt, wo König Josaphat den Feind besiegte (2Chr 20,25-26). Das liegt nicht in der Nähe von Jerusalem. Da das Endgericht in der Nähe von Jerusalem stattfinden wird, muss diese Talebene irgendwo in der Nähe von Jerusalem liegen. Man hat an das Kidrontal gedacht, das zwischen Jerusalem und dem Ölberg liegt. Es ist zwar eng, aber möglicherweise wird es durch die Spaltung des Ölbergs verbreitert werden (Sach 14,4). Eine Talebene ist häufig der Ort, an dem das Gericht stattfindet (Jes 22,1; 5; Hes 39,11).

Deutsches Vers (4,3)

Menschen als Handelsware

Hier sehen wir einen weiteren Vorwurf: Die Nationen haben die Einwohner von Judäa, die bei der Besetzung Jerusalems gefangen genommen wurden, durch das Los unter sich aufgeteilt und sie wie Ware behandelt (vgl. Ri 5,30; Obad 1,11; Est 3,7). Auf diese Weise haben die Nationen Israel mit entsetzlicher Missachtung der Menschenwürde behandelt. Sie haben ihre „Sklaven“ nicht verkauft, um dadurch reicher zu werden, und auch nicht um davon zu profitieren, sondern nur, um ihre fleischlichen Gelüste zu erfüllen.

Die Feinde Israels haben die Fremdherrschaft ausgenutzt, indem sie sich die Reichtümer und das Land Israels angeeignet haben. Und die Eroberer haben die Einwohner an die Feinde ausgeliefert, um ihre niedrigsten Leidenschaften zu befriedigen. Sie haben genommen, was Gott gehört, um sich zu vergnügen. Sie haben die Dienste einer Hure mit einem jüdischen Knaben bezahlt.

Was Joel hier beschreibt, hat sich im Laufe der Geschichte regelmäßig ereignet, unter anderem nach der Zerstörung Jerusalems durch Titus im Jahr 70. Fast anderthalb Millionen Einwohner Jerusalems und der Umgebung starben in dieser schrecklichen Schlacht. Mehr als 100.000 Juden wurden gefangengenommen.

Der jüdische Historiker Flavius Josephus beschreibt, dass Titus mit diesen Juden wie folgt verfuhr: „Alle, die unter 17 Jahre alt waren, wurden öffentlich verkauft; von den übrigen wurden einige auf der Stelle getötet, einige wurden in die ägyptischen Minen geschickt, um dort zu arbeiten (was schlimmer war als der Tod), einige wurden zurückgehalten, um als öffentliche Attraktion in den großen Städten mit wilden Tieren zu kämpfen; nur die Größten und Schönsten wurden verschont, um sich dem Triumphzug nach Rom anzuschließen.“

So war das damals. Juden wurden für ein bisschen Gerste verkauft. So wurden Tausende verkauft. Und so war die Geschichte dieses Volkes durch die Jahrhunderte hindurch. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden sie massenhaft wie Tiere aus allen Teilen Europas in Konzentrationslager transportiert, um dort vergast zu werden. Und die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Die „Zeit der Drangsal für Jakob“ (Jer 30,7) steht noch bevor, eine Zeit, die es von Anbeginn der Welt bis jetzt nicht gegeben hat (Mt 24,21). Aber auch der Tag wird kommen, an dem der HERR alles Böse rächen wird, das seinem Volk angetan wurde.

Deutsches Vers (4,4)

Israel, der Augapfel Gottes

Die Nachbarvölker Israels – Tyrus, Sidon und Philistäa – werden als erstes erwähnt. Diesen Händlern wird die Frage gestellt: „Was wollt ihr mir?“ Vielleicht wäre eine bessere Übersetzung: „Was habt ihr mir angetan?“ So wird der Ruf zur Rechenschaft dieser Völker deutlich hörbar für das, was sie dem HERRN durch ihr Verhalten gegenüber Israel angetan haben. Es ist eine Frage, die wie eine Bombe vom Himmel auf die Ausbeuter Israels fällt. Daran wird deutlich, wie sehr sich der HERR mit seinem Volk identifiziert. Was ihnen angetan wurde, ist Ihm angetan worden. So spricht auch Sacharja davon (Sach 2,12b). Hier sehen wir, von welch großer Bedeutung dies für den HERRN ist.

Als Paulus noch Saulus genannt wurde, kam auch zu ihm die Frage vom Himmel: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ (Apg 9,4). Und was hat er getan? Er verfolgte die Gemeinde. Auch hier gibt es die Identifikation des Herrn im Himmel mit seinem Volk auf der Erde. Es hat immer eine Verbindung zwischen dem Herrn im Himmel und seinem Volk auf der Erde gegeben. Das ist im Alten Testament der Fall, wenn es um die Verbindung zwischen dem Herrn im Himmel und Israel als seinem Bundesvolk auf der Erde geht. Das ist auch im Neuen Testament der Fall, wenn es um die Verbindung zwischen dem Herrn Jesus als Haupt im Himmel und der Gemeinde als seinem Leib auf der Erde geht.

Wenn die Nationen dann den Augapfel Gottes, Israel, und damit Gott selbst angreifen wollen, werden sie die richtige Vergeltung erhalten. Das Böse, das sie Israel angetan haben, wird auf ihren eigenen Köpfen landen. Was die Nationen gegenüber Israel zeigen, ist eigentlich der uralte Hass Satans gegen Gott. Satan will immer zerstören, was Gott gehört, und er will verhindern, dass die Pläne Gottes ausgeführt werden.

Sein größter Hass gilt Christus. Satan hat schon immer verhindern wollen, dass Er geboren wird. Die Geschichte des Buches Esther ist ein aufschlussreiches Beispiel dafür. In diesem Buch begegnen wir Haman, dem Judenhasser, der darauf aus ist, alle Juden zu töten, um das gesamte Volk auszurotten. Haman ist vor allem ein Typus, ein Beispiel für Satan und seine Absichten.

Deutsches Vers (4,5)

Der HERR beraubt

Dieses Wegnehmen muss sich nicht nur auf Silber und Gold und Wertgegenstände aus dem Tempel beziehen, sondern kann sich auch auf das Privateigentum, den wertvollen Besitz der Einwohner von Judäa beziehen. Alle Besitztümer der Einwohner von Judäa sind wie das Land, das Eigentum des HERRN (Hag 2,8). Somit ist alles, was ihnen weggenommen wurde, dem HERRN weggenommen. Das Unrecht trifft Ihn persönlich.

Deutsches Vers (4,6)

Weit weg von ihrem Land

Was Tyrus und Sidon dem Volk angetan haben, gilt noch immer. Es ist bekannt, dass sie überseeische Handelsbeziehungen mit den Griechen hatten. Es heißt, dass sie mit den Griechen Menschen gehandelt haben (Hes 27,13). Indem sie so mit Gottes Volk umgingen, haben sie es nicht nur zur Handelsware gemacht. Das ist schlimm genug. Aber indem sie sie so weit weggebracht haben, haben sie sie auch zu vertriebenen, religiös und sozial entwurzelten Menschen gemacht, für die es praktisch unmöglich ist, in ihre Heimat zurückzukehren.

Deutsches Vers (4,7)

Gott sieht die Seinen überall

Egal, wie weit die Sklavenhändler sie gebracht haben, der HERR hat sie nicht aus den Augen verloren. Er wird sie wieder zurückbringen. Das ist eine große Ermutigung für alle Versprengten. Wo immer sie sind, der HERR sieht sie. Das gilt auch heute. Egal wie einsam sich ein Kind Gottes fühlen mag, der Herr weiß, wo er oder sie ist, und Er ist bei ihm oder ihr. Er erreicht sein Ziel mit jedem Leben, das sich danach sehnt, mit diesem Leben Gottes Ziel zu erfüllen.

Wie Er die Zerstreuten von den Orten zurückbringen wird, an die sie verkauft wurden, wird hier nicht erwähnt. Aber sein Versprechen ist ausreichend. Er verliert die Seinen nicht aus den Augen, aber auch die Feinde seines Volkes nicht – und damit auch seine Feinde nicht. Er wird ihnen den Lohn geben, den sie für die Misshandlung seines Volkes verdient haben (vgl. Ri 1,7).

Deutsches Vers (4,8)

Der HERR übt das Gericht durch Juda aus

Der HERR wird die feindlichen Völker in die Hand seines Volkes geben. Durch sein Volk wird Er bewirken, dass dasselbe Böse, das seinem Volk angetan wurde, als Gericht auf diese Nationen herabkommt. Dadurch werden sie am eigenen Leib erfahren, was sie anderen angetan haben. Dass Gott sein Volk, d. h. den Überrest, der an den Messias glaubt, letztlich dazu gebrauchen wird, seine früheren Feinde zu züchtigen, finden wir an weiteren Stellen in der Schrift (Obad 1,18; Mich 4,13; Sach 12,5; 6; Ps 149,6-9; Est 9,1). So wird deutlich, wie eng sich der HERR mit seinem Volk verbunden weiß.

Deutsches Vers (4,9)

Heiligt einen Krieg!

Die Nationen werden aufgefordert, sich auf den Krieg vorzubereiten, denn der Krieg ist ausgerufen. Noch einmal mobilisiert der HERR die Nationen. Ein weiteres Mal dürfen sie ihrem Hass auf Jerusalem frönen. Zumindest ist es das, was die Nationen bei diesem Aufruf empfinden. In der Vergangenheit tat der HERR dies, um sein Volk zu züchtigen, wenn es von Ihm abgewichen war. Aber jetzt ruft Er die Nationen, um gerichtet zu werden. So ist der Aufruf zum Krieg in Wirklichkeit ein Aufruf zu ihrer eigenen Zerstörung.

Deshalb hat der Ruf auch etwas von heimlicher Ironie. Denn dieses Mal werden die Nationen mit ihrer großen Zahl und rohen Gewalt nur dazu dienen, Gottes Triumph noch glorreicher zu machen. Sein Triumph wird glänzen, wenn sie kurz vor Jerusalem vernichtet werden (Mich 4,11-13). Dasselbe sehen wir in Hesekiel 38–39, wo sich die Nationen darauf vorbereiten, gegen den HERRN in den Kampf zu ziehen, ohne zu merken, dass der HERR sie hinter sich herzieht (Hes 38,4a). Er tut dies auf die gleiche Weise, wie ein Bauer einem Stier einen Ring durch die Nase zieht und diesen so im Zaum hält.

Deutsches Vers (4,10)

Alles für den Krieg verwendet

Die Nationen sind zu einem totalen Krieg aufgerufen. Nichts anderes soll mehr wichtig sein. Die normale Arbeit wird niedergelegt, und die Werkzeuge, die sie dafür benutzen, müssen in Kriegswerkzeuge umgewandelt werden (vgl. Jes 2,4; Mich 4,3). Wir können dies damit vergleichen, was im Zweiten Weltkrieg (1939–1945) geschah. Damals mussten auch Utensilien aus verschiedenen Metallen, vor allem aus Kupfer, für die Herstellung von Munition und anderen Kriegswaffen abgegeben werden.

In der letzten Schlacht um Jerusalem werden alle verfügbare Zeit und Materialien eingesetzt, um der Stadt den finalen Schlag zu versetzen. Auch die Moral wird angekurbelt. Jeder bekommt den Eindruck, dass er ein Mann aus Stahl ist, ein Held, der einen sicheren Sieg erkämpfen kann. Selbst der Schwächling, der normalerweise den Kampf meidet, soll sich von der Begeisterung der Kriegspsychose mitreißen lassen. Er wird sich zusammenreißen und sagen: „Ich bin ein Held“ – und nimmt dann am Krieg teil.

Deutsches Vers (4,11)

Die Helden Gottes

Dieser Vers enthält zwei Aufrufe, die an zwei verschiedene Adressen gerichtet sind. Der erste Teil des Verses ist eine zusätzliche Ermahnung an die Nationen, sich bereit zu machen und an den Ort zu kommen, wo Gott sie haben will. Gemäß den Joel 4,2; 12 bezieht sich dies auf das Tal Josaphat.

Der zweite Teil des Verses scheint ein Ruf des Propheten an Gott zu sein. Wenn der Prophet also im Geist die Feinde vor Jerusalem versammelt sieht, ruft er dem HERRN zu, dass nun die Zeit gekommen ist, mit seinen Helden diese ganze Schar von Feinden zu vernichten. Schließlich hat auch Gott seine Helden. Er kann sie einfach hinabsenden. Mit „deinen Helden“ sind Engel gemeint. Sie hinabzusenden bedeutet, dass sie vom Himmel kommen. Engel werden „Gewaltige an Kraft“ genannt (Ps 103,20).

Deutsches Vers (4,12)

Der HERR als Richter

In Anbetracht des Inhalts der vorherigen Verse würden wir erwarten, dass nun der Kampf beginnt. Doch das ist nicht der Fall. Plötzlich kehrt das Bild zurück zu dem eines Gerichtsprozesses, wie in Joel 4,2 angekündigt. Dort ist der HERR eher der Ankläger, während hier, inmitten der ganzen Aufregung der Nationen, das Bild der majestätischen Ruhe des Richterstuhls auftaucht, auf dem der HERR sitzt. In ihrem Zug gehen die versammelten Nationen dem Richter in die Arme. Sein Urteil ist das, was wir in Joel 4,13 lesen.

Deutsches Vers (4,13)

Die Weinernte

Wie groß auch die Arroganz der Menschen sein mag, die sich für stark halten, am Ende steht das Gericht Gottes. Die Sichel Gottes wird die Erde mähen. Das Bild, das wir hier sehen, erinnert an die Weizenernte und die Weinernte, von denen wir in Offenbarung 14 lesen (Off 14,14-20). Es gibt, auch geistlich gesehen, einen Unterschied zwischen den beiden. Die Weizenernte bedeutet vor allem das Gericht, das das Gute vom Bösen trennt. Die Weinlese ist die Ausübung der Rache. Die zweite, die Weinernte, ist das, womit wir es hier zu tun haben.

Die Beschreibung „und die Kelter wurde außerhalb der Stadt getreten“ (Off 14,20) entspricht dem, was Joel sagt: „Die Stadt“ ist die Stadt Jerusalem. Engel sind an der Ernte beteiligt (Mt 13,41; 42). So wie das reife Korn von der Sense der Mäher abgeschnitten und die Trauben von den Füßen in der Kelter zertreten werden, so werden die Nationen von den Helden Gottes vertilgt werden.

Deutsches Vers (4,14)

Das Tal der Entscheidung

„Das Tal der Entscheidung“ ist der Ort, an dem das endgültige Gericht, d. h. die Ausrottung der Völker, vollzogen wird. Damit ist der Tag des HERRN gekommen. Dieser Tag bedeutet nicht den Untergang für sein Volk, sondern bringt Befreiung von seinen Feinden und den Segen des HERRN.

Deutsches Vers (4,15)

Verfinstert und verblasst

Das Licht der Sonne und des Mondes verfinstert sich und das Funkeln der Sterne verblasst [„verhalten ihren Glanz“ bedeutet „verlieren ihren Glanz“] bei den Szenen, die sich auf der Erde abspielen, wenn der Tag des HERRN anbricht. Es ist auch möglich, an eine symbolische Bedeutung zu denken. Die Gestirne werden in der Schöpfung als Lichter erwähnt, die Herrschaft ausüben (1Mo 1,16). Wir können also Sonne, Mond und Sterne als Bilder von mächtigen Herrschern sehen.

Wenn der Tag des HERRN gekommen ist, werden diese Herrscher nicht mehr als „von Gott eingesetzte Regierung“ regieren, wie sie es jetzt tun (Röm 13,1-7). Sie werfen jede Anerkennung Gottes ab, um sich in Rebellion gegen Ihn zu vereinen (Ps 2,1-3). Verdunkelt und verblendet wie sie sind, rebellieren sie und werden im Tal der Entscheidung umkommen. Von ihrem Glanz und ihrer Ausstrahlung, die unzählige Menschen für ihre Sache gewonnen haben, ist nichts mehr übrig.

Deutsches Vers (4,16)

Der HERR redet und beschützt

Der HERR erhebt seine mächtige Stimme, wie ein Löwe im Wald brüllt. Er lässt seinen Donner grollen, wenn Er sich erhebt, um einzugreifen. Wenn beim Erheben seiner Stimme der Himmel und die Erde erbeben, was wird dann die Wirkung auf die versammelten Nationen sein, die von Ihm „wie ein Tropfen am Eimer und wie ein Sandkorn auf der Waagschale“ erachtet werden (Jes 40,15)? Würden sie nicht völlig vergehen? Die Enttäuschung wird groß sein.

Da sind sie, vor den Toren Jerusalems, bereit, die Stadt einzunehmen. Dann werden sie aus der Stadt angesprochen. Aber nicht mit einer zitternden Stimme, die verkündet, dass sich die Stadt ergeben wird, sondern mit einer Stimme, die sie den Atem anhalten lässt. Der HERR ist in Zion, und auch die, die entkommen sind, sind dort (Joel 3,5). Die Stadt bietet Schutz, weil sie die Wohnstätte Gottes ist. Wer bei Ihm wohnt, wohnt in einer uneinnehmbaren Festung und kann sich sicher fühlen.

Deutsches Vers (4,17)

Wo Gott wohnt, ist es heilig

Wo immer Gott wohnt, ist es heilig. Zion ist ein heiliger Berg und Jerusalem ist ein Heiligtum, weil Er heilig ist. Wenn Er Mose im Dornbusch erscheint, ist der Ort heiliger Boden (2Mo 3,5), und wenn Er Josua in Jericho erscheint, ist dieser Ort ebenfalls heilig (Jos 5,15). Er musste sein Heiligtum, den Tempel in Jerusalem, verlassen, weil sie seine Wohnstätte völlig entweiht haben (Hes 10,4; 18). Wenn Er sich aus Jerusalem zurückzieht, haben die Feinde freie Bahn (Hes 10,4-22).

Der HERR kann erst wieder bei seinem Volk wohnen, wenn es von seinen Sünden gereinigt ist. Dann wird kein Fremder mehr durch sie hindurchziehen, um die Stadt zu entweihen, so wie im neuen Jerusalem, das oben ist, nichts hineingehen wird, was unrein ist (Off 21,27). Niemand wird dort sein, außer denen, die das Recht haben, dort zu sein.

Deutsches Vers (4,18)

Überfluss

Von diesem Vers geht eine wohltuende Ruhe von dem bis dahin ungestümen, prophetischen Buch aus. Der Kampf ist vorbei, das Gericht ist vollzogen, Frieden und Sicherheit sind garantiert. Der Ausdruck „an jenem Tag“ steht für die Zeit, in der das Friedensreich gekommen ist. Die Fülle der Getränke – Wein, Milch und Wasser – steht in scharfem Kontrast zu der Dürre und ihren Folgen, die wir in Joel 1 sehen (Joel 1,5; 10).

Der Prophet beschreibt diese Segnungen von oben nach unten. Zuerst sieht er die hohen Berghänge mit Weinstöcken, dann die niedrigeren Hügel mit den milchproduzierenden Herden und schließlich das Tal Sittim, das von den herabfließenden Wassern erfüllt sein wird. Die Fülle des Weins ist ein Zeichen für die überwältigende Lebensfreude im Friedensreich (Ps 104,15; Ri 9,13; Pred 9,7; Pred 10,19). Wo der HERR wohnt, ist eine Quelle des Segens, die zuerst entspringt und dann Segen bringt, wo immer sie fließt (Hes 47,1-12; Ps 65,10). Der HERR selbst ist die einzige Quelle jedes Segens.

Wenn wir diese Szene sehen, werden wir an den Zustand des Paradieses erinnert, bevor der Sündenfall stattgefunden hat. Das Friedensreich ist in gewissem Sinne eine Fortsetzung des Paradieses. Die Aufrechterhaltung seines Genusses hängt jedoch nicht mehr vom ersten Menschen, dem ersten Adam oder seinen Nachkommen ab, sondern vom zweiten Menschen, dem letzten Adam. Er regiert sein Reich in vollkommener Weise, so dass tausend Jahre lang ohne Unterbrechung ein Zustand des Friedens, der Ruhe und des Segens herrscht.

Vielleicht können wir an Sittim im Land Moab denken (4Mo 25,1; 4Mo 33,49). Dieses Sittim ist das letzte Lager Israels, bevor das Volk den Jordan überquert und das verheißene Land betritt. Dieser Ort könnte es sein, um Gottes Verheißung einer neuen Zeit des Segens darzustellen. Gottes Volk steht dann sozusagen wieder in Sittim, d. h. an der Schwelle zu einer neuen Reise über den Jordan und einem neuen Einzug in das Land. Dieser neue Einzug gilt buchstäblich für die Zerstreuten und Vertriebenen (Joel 4,2; 6). Ziel dieses neuen Einzugs ist Zion, sowohl wörtlich als auch geistlich, wo der HERR inmitten seines Volkes wohnt.

Deutsches Vers (4,19)

Ägypten und Edom

Neben einer außergewöhnlichen Fruchtbarkeit gibt es auch politische Sicherheit. Der Genuss des Segens aus Joel 4,18 ist nur möglich, wenn Juda leben kann, ohne von Feinden bedroht zu werden. Deshalb müssen diese beseitigt werden. Ägypten und Edom stehen für alle feindlichen Nationen, aber nicht nur das. Der zweite Teil des Verses weist auch auf konkrete Handlungen hin, die die Feindschaft dieser Nationen zeigen. Es sind Gewalttaten, bei denen sie unschuldiges Blut vergossen haben.

Ägypten hat Israel oft im Kampf mit Assyrien durchquert und dort schreckliches Leid verursacht. Edom hat jede Gelegenheit genutzt, um das Leid, das Israel durch Feinde erfahren hat, noch zu vergrößern. In seiner Prophezeiung spricht der Prophet Obadja ausführlich darüber, was Edom dem Volk Gottes angetan hat.

Deutsches Vers (4,20)

Der Kontrast

Die Zerstörung Ägyptens und Edoms ist kein Selbstzweck, sondern ebnet den Weg für das Ziel, das Gott mit seinem Volk hat. Wenn die Feinde erst einmal beseitigt sind, werden Juda und Jerusalem für immer bleiben, für alle Generationen. Es ist ein Kontrast: Ägypten und Edom gehen unter, Juda lebt wieder auf und existiert in unbedrohter Sicherheit weiter.

Deutsches Vers (4,21)

Der HERR wohnt ewig in Zion

Durch seine radikale Bestrafung der Feinde Judas, die viel Blut der Einwohner von Judäa vergossen haben, zeigt der HERR, dass es sich um unschuldiges Blut handelt. Deshalb haben sie die strenge Strafe verdient, mit der Er bis jetzt gewartet hat, die Er nun aber vollziehen wird. Indem der HERR die beteiligten Nationen richtet, wird Er die Blutschuld wegnehmen, die sie auf sich geladen haben, weil sie das Volk Gottes verfolgt haben.

Der zweite Teil des Verses ist eine Wiederholung des Inhalts von Joel 4,17. Diese Wiederholung legt großen Wert darauf, dass Gott weiterhin in der Mitte seines Volkes wohnt, denn nur das kann alle verheißenen Segnungen und das Überleben von Juda garantieren.

Das Ende des Buches Joel erinnert an das Ende der Geschichte, an den Moment, in dem die Zeit in die Ewigkeit übergeht. Darüber lesen wir in Offenbarung 21 (Off 21,1-8). Dort steht auch geschrieben, dass Gott bei den Menschen wohnen wird (Off 21,3).

© 2023 Autor G. de Koning

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